Tuchel, der schlechte Verlierer
Mainz - Verlieren fällt schwer. Ralf Rangnick, derzeit Fußballlehrer im Wartestand, hat einmal verraten, dass er seinen Ur-Großvater mit einem Spielzeug-auto bewarf, weil er beim Mensch-ärgere-dich-nicht gegen ihn verloren hatte. Insofern verwundert es nicht, dass Thomas Tuchel (37), der als Ziehsohn Rangnicks gilt, ähnlich reagiert. Immer häufiger, seitdem die Überflieger der Liga geerdet werden: Der FSV Mainz 05 hat nach seinem Traumstart mit sieben Siegen nunmehr neun von 15 Partien verloren. Tuchel witterte meist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, gerne beklagt er einen ungerechten Spielverlauf oder beschimpft unfähige Referees.
Woher das rührt? Tuchel verrät, dass er früher beim Tischtennis im Freibad nicht gegen seinen Vater habe verlieren können, „der hat sich dann gemütlich auf einen Stuhl gesetzt, und ich habe oftmals geheult”. Er gesteht sogar: „Ich bin immer noch in der Gefahr, jähzornig zu reagieren, das ist keine positive Eigenschaft bei einem Trainer." Oft genügt schon eine falsche Frage, um den Taktik-Tüftler in Wallung zu bringen. Etwa Fragen nach einer späten Auswechslung oder der Tabellensituation. „Der einzige Moment, an dem ich auf die Tabelle schaue, ist die Pressekonferenz”, sagt Tuchel – dann nämlich blickt er vom Podium auf eine große Stecktabelle, die seinen FSV immer noch als Fünften ausweist, der mit einem Sieg am Samstag gegen die Bayern flugs wieder Dritter sein könnte.
Doch Tuchel sieht die Sachlage anders: „Am Samstag kann niemand auf die Idee kommen, uns in die Favoritenrolle zu drängen.” Er kündigt nun an, „schlau zu spielen - eine Idee habe ich”. Und wegen der 2:1-Sensation aus dem Hinspiel stichelt Tuchel auch: „Ich glaube, die kommen mit ein bisschen Bauchweh zu uns." Vor den Spielen gibt sich der Trainer oft charmant und eloquent, nach den Matches, dann wenn sein akribischer Matchplan nicht aufgegangen ist, kann er ungemütlich sein. Dass ihm der Kölner Kollege Frank Schaefer genüsslich vorhielt, die bei seiner Mannschaft eingeübten Standards hätten den Ausschlag zum Sieg gegeben, ließ Tuchel fuchsteufelswild werden. Und obwohl er nach außen beteuert, er wolle keinen Ergebnisdruck aufbauen, lechzt er doch nach Siegen. Manager Christian Heidel geht gelassener mit der Situation um; er weiß eben genau, wo der Karnevalsverein herkommt und hingehört. „Champions League ist nicht realistisch”, sagt Heidel, solche Ränge seien eben für den FC Bayern reserviert.
Selbst das Erreichen der Europa League würde an den Absichten für die neue Saison nichts ändern, in die der FSV Mainz dann in ein 34000 Zuschauer fassendes Stadion am Mainzer Europakreisel zieht. In der 45-Millionen-Euro-Arena wird dann am 19. und 20. Juli der Liga-Cup ausgespielt - ein Vorbereitungsturnier, an dem auch Dortmund, Bayern und Hamburg teilnehmen. Mit dem größeren Stadion, höheren TV-Einnahmen und dem Transfer von André Schürrle nach Leverkusen kann der Etat aufgestockt werden. Heidel aber betont: „Wir bleiben im Konzert der Großen nur ein kleines Licht.” Dann wäre gut, wenn der Trainer mit Niederlagen zu leben lernt.