Tuchel, der bessere Klopp?

Im Spitzenspiel am Sonntag trifft Mainz-Coach Thomas Tuchel auf seinen von den Fans immer noch als Idol verehrten Vor-Vorgänger Jürgen Klopp und dessen Dortmunder Borussia.
von  Abendzeitung
"Die Ähnlichkeit erkennt ja ein Blinder": Thomas Tuchel (links) mit Jürgen Klopp.
"Die Ähnlichkeit erkennt ja ein Blinder": Thomas Tuchel (links) mit Jürgen Klopp. © az

Im Spitzenspiel am Sonntag trifft Mainz-Coach Thomas Tuchel auf seinen von den Fans immer noch als Idol verehrten Vor-Vorgänger Jürgen Klopp und dessen Dortmunder Borussia.

MAINZ Die erste Begegnung war Zufall. Im Frühjahr 2009 erkundete Jürgen Klopp mal wieder das Mainzer Kneipenleben und staunte nicht schlecht, wer ihm da vorgestellt wurde: Thomas Tuchel, damals für die A-Junioren zuständig. Keine Minute habe das Gespräch gedauert, Klopp konnte sich immerhin erinnern, dass Tuchel „eine komische Wollmütze“ trug und schlecht rasiert war. „Thomas Tuchel ist nicht nur genauso schlecht rasiert wie Klopp, er wird hier auch genauso gut arbeiten“, prophezeite 05-Präsident Harald Strutz am 3. August 2009, als Tuchel zum Cheftrainer befördert wurde. Der Rest ist fast schon ein Stück Bundesliga-Historie.

Der Taktiktüftler, 37, hat den Nischen-Standort Mainz längst vom Lehrvater Klopp, 43, emanzipiert und eine Weiterentwicklung betrieben, die bundesweit Beachtung erfährt. Die „Bruchweg-Boys“ gehen als Tabellenführer ins Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund (Sonntag, 15.30 Uhr). Ist Tuchel der bessere Klopp? Vertraute behaupten das. Tuchel sei noch intelligenter als Klopp, habe noch mehr Sachverstand, heißt es hinter vorgehaltener Hand – aus Respekt vor dem noch immer verehrten Idol.

Beide wehren sich gegen die Unterstellung, der Liga neue Lehrpläne beibringen zu müssen. Das Etikett des „Revolutionärs“ wie einst Ralf Rangnick wollen sie sich nicht anheften. Eher soll die Begegnung als „Gute-Laune-Gipfel“ durchgehen. „Die Aufregung entsteht dadurch, dass Mainz und Dortmund mit einer ähnlichen Spielweise überragend gestartet sind“, erklärt Tuchel, „daraus werden Rückschlüsse gezogen, die energischen Widerspruch erfordern: Wir erfinden den Fußball nicht neu.“

Und doch spielen beide Teams einen erfrischenden, weil offensiven wie laufintensiven Fußball, der sich wohltuend vom Liga-Rest absetzt. Die Tabellenpositionen sind ja nicht zufällig entstanden. Das Spiel gegen den Ball zu intensivieren, sei nicht neu, erklärt Klopp. Auch Tuchel sieht sich nicht als Vorreiter: „Das Wort Matchplan habe ich von Urs Siegenthaler auf einer Trainer-Fortbildung gehört, es ist keine Erfindung von mir.“ Da merkt einer schon, wie seine klug formulierten Ausführungen wie ein Bumerang zurückkommen.

Beide haben schwäbische Wurzeln: Tuchel ist in Krumbach, Landkreis Günzburg, aufgewachsen; Klopp kommt aus Stuttgart, ehe er zum Studieren nach Frankfurt ging. Auch Tuchel hat studiert (BWL), nebenbei jobbte er in einer Stuttgarter Bar. Und dann gibt es noch die äußere Hülle, die Dortmunds Abwehrspieler Neven Sutbotic, früher selbst Mainzer, so beschreibt: „Diese Ähnlichkeit sieht ein Blinder. Sie haben fast denselben Haarschnitt. Und ich kenne keinen, der sich so über ein Tor freut, wie diese beiden.“

Doch beide driften längst in ihre eigenen Richtungen. Während Klopp eher der daueroptimistische Wortführer ist, der gern mit Begriffen wie „geil“ und „brutal“ hantiert, gibt Tuchel den wechselweise emotional oder rational agierenden Anweiser, der eloquenter daherkommt. Im Grunde ist auch der findige Mainzer Manager Christian Heidel froh, dass Tuchel heute am Bruchweg tätig ist, obwohl der 47-Jährige bis heute ein echter Freund Klopps geblieben ist. Aber er sagte kürzlich auch: „Tuchel zerpflückt Spiel und Spieler, da bleibt nichts übrig. Er ist ein loyaler und authentischer Typ, ein positiv Verrückter wie Jürgen Klopp.“ Aber anders. Wie sagte Tuchel mal selbst: „Jürgen Klopp hat in Mainz eine Ära geprägt. Mein Wunsch ist es, das auch zu schaffen – aber auf meine Art.“

Frank Hellmann

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