Tschö Poldi, mach et joot!

"Ein komisches Gefühl": Gegen England beendet Lukas Podolski am Mittwoch seine DFB-Karriere. Löw: "Einer der größten Spieler Deutschlands".
Patrick Strasser |
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Führt bei seinem letzten Spiel im DFB-Trikot die Nationalmannschaft als Kapitän aufs Feld: Lukas Podolski.
GES/Augenklick Führt bei seinem letzten Spiel im DFB-Trikot die Nationalmannschaft als Kapitän aufs Feld: Lukas Podolski.

Lukas Podolski sitzt im Museum, aber er ist noch nicht reif dafür. Längst noch nicht. Er beendet ja auch nicht seine Karriere, hört bei seinem "Lieblingsverein" auf, in der deutschen Nationalelf. Am Mittwoch gegen England (20:45 Uhr, ARD) darf der 31-Jährige in seinem 130. Länderspiel sogar Kapitän sein, ein Abschiedsgeschenk von Bundestrainer Joachim Löw. "Das ist sensationell! Mehr geht nicht", sagt Podolski.

Diese letzte Pressekonferenz mit dem Spieler, der diese Zusammentreffen mit den Medien stets geliebt hat, findet im "Deutschen Fußball Museum" zu Dortmund statt, am Ort des Freundschaftsspiels. Als eines der vielen DFB-Präsente bekommt Podolski einen Einspieler-Filmchen, in dem Kabarettistin Carolin Kebekus, ebenfalls ein Kölner Original, kreischt und seine ehemaligen Nationaltrainer Nettigkeiten übermitteln. "Bleib' wie du bist", sagt Rudi Völler. Und Jürgen Klinsmann rät: "Genieß' den Abend!" Poldi hat Spaß. Als Jogi aufs Podium kommt und sich setzt, umarmt der Spieler seinen Vorgesetzten wie einen guten, alten Freund.

Das ist das Erfolgsrezept von Lukas P. – vor allem neben dem Platz: Alle sind gleich. Busfahrer, Zeugwart, Waschfrau, Security-Kerle. Nie hat er sich über jemanden erhoben und – viel wichtiger: Seine Späße und Streiche hat er mit allen getrieben. Ein Podolski macht keine Unterschiede, jeder kam mal dran. Kein Autogramm, kein Foto war das eine zu viel. Dafür lieben sie ihn. Die Mannschaft und die Mannschaft hinter der Mannschaft. "Es ist ein komisches Gefühl", sagt er über sein bevorstehendes letztes Mal im DFB-Trikot, nach "schönen und geilen Jahren".

"Den Lukas kann keiner ersetzen. Der ist ein Unikat."

Nach genau zwölf Jahren und etwas mehr als neun Monaten seit dem Debüt am 6. Juni 2004. Es folgten sieben Turniere mit dem Höhepunkt WM-Triumph 2014. Obwohl er nur 53 Minuten in Brasilien zum Einsatz kam, Freude sich kaum einer mehr über diesen Lebenswerk-Titel als Poldi. An seinem letzten Turnier, der EM im vergangenen Sommer in Frankreich, durfte er eher wegen der oben genannten Qualitäten teilnehmen. Manch Journalist, manch Experte schimpfte den Reservisten mit lediglich 18 Minuten Einsatzzeit (gegen die Slowakei) "Maskottchen". Ein böses Wort für: Teamplayer, der Podolski immer war. Der Stürmer erzielte für Schwarz-Rot-Gold 48 Tore, das erste kurz vor Weihnachten 2004 in Thailand, das letzte im März 2015 gegen Australien. Was für eine Karriere. Er findet: "Da kann man stolz sein." Aber sicher.

"Es wird ein schöner Moment, für mich aber auch ein trauriger. Es bedeutet Abschied. Wir sind einen langen Weg zusammen gegangen, über viele Hürden gekommen, haben viel erlebt." Sagt Löw vor dem emotionalen Mittwoch. Er war Poldis Co-Trainer ab dem Spätsommer 2004, sein Cheftrainer ab Spätsommer 2006. Anders als andere Spieler hat ihn Poldi immer geduzt – war halt so. Das größte Kompliment des Bundestrainers: "Lukas war einer der größten Spieler, die Deutschland hervorgebracht hat." Wehmut kann man bei diesen Worten hinter Poldis breitem Grinsen nicht erkennen, Melancholie ist für ihn ein Fremdwort. Noch mehr Freude haben ihn diese Löw-Worte: "Den Lukas kann keiner ersetzen. Der ist ein Unikat. Er ist einmalig."

1. FC Köln, FC Bayern, wieder Köln, sein Herzensverein, dann FC Arsenal, Inter Mailand, bis Saisonende Galatasaray Istanbul, so seine Stationen – und "ab Juli beginnt das Abenteuer Japan", bei Vissel Kobe. An was er bei seiner langen Karriere speziell denke, wird Podolski gefragt und antwortet, wie nur ein Poldi antwortet: "Ich will mir keinen besonderen Moment herauspicken, das wäre unfair gegenüber den anderen Momenten."

Podolskis beste Sprüche

"Der Sieg hat gefehlt, nä. Man will ja auch gewinnen, nä. Scheiße so, nä." (Im Interview nach seinem ersten Tor für den 1. FC Köln)

"Schöne Sendung. Mit der Giraffe und so." (Über die Sendung Stern TV, in der Jürgen Klinsmann ein Interview gegeben hatte – Inhalt der Sendung war auch ein Bericht über eine Giraffe)

"Rein das Ding und ab nach Hause!" (Über seine Aufgabe)

"80 Prozent von euch und ich auch kraulen sich auch mal an den Eiern." (Podolski entlastet Bundestrainer Joachim Löw, der bei der EM 2016 in pikanter Situation gefilmt worden war)

"So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere." (Über das verlorene WM-Halbfinale gegen Italien 2006)

"Hat 15 Minuten gedauert. Sieht man ja auch."               (Über die Frisur von Bastian Schweinsteiger)

"Ich gebe euch kurze Antworten, dann müsst ihr nicht so viel schreiben." (Zu Journalisten)

"Nabelschnur durchgeschnitten, Fotos gemacht, Familie angerufen, geheult." (Über die Geburt seines Sohnes Louis)

"Das Gute an England ist: Wir haben viele englische Wochen." (Über die Station FC Arsenal)

"Alles hat seine Zeit – und meine Zeit beim DFB ist vorbei." (über seinen Rücktritt)

AZ-Meinung: Kamm drüber!

Der eine sagt "Tschö, Nationalelf!", der andere verabschiedet sich endgültig aus dem großen Fußball.

Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger, das einstige Lausbuben-Duo, verschwindet nach und nach vom Radar der Fans. Der eine in Japan, der andere in Chicago. Ois schade.

Ach, waren das Zeiten. 2004 machten die beiden ihr erstes Länderspiel gegen Ungarn. Bei der EM kurz darauf in Portugal konnten die frechen Hoffnungsträger das Vorrunden-Aus auch nicht verhindern. Als AZ-Reporter berichtete ich damals zum ersten Mal über die neue Generation, über Philipp Lahm und "Schweinski", die frischen Milchgesichter mit so manchem Frisuren-Verbrechen. Kamm drüber! Dieser Phase war ich damals ebenfalls noch nicht entwachsen. Noch über Jahre schrieben wir uns SMS. Manchmal fragte einer der beiden dabei um Rat, hauptsächlich zog man sich auf. Der Kontakt war da, der Respekt voreinander auch. Und eine Herzlichkeit, die im professionellen Miteinander mit den meisten anderen Profis fehlt. Poldi blieb immer Poldi – ob vor, während oder nach den für ihn wenig erbaulichen Jahren beim FC Bayern. Sah man sich bei der Nationalelf, gab’s blaue Flecken, wenn er einen in die Seite knuffte und im rheinischen Singsang rief: "Was ist los in Münschen? Grüß’ mir den Uli!" Schweini wollte zwischendurch nicht mehr Schweini sein, sondern in Überschriften ein Schweinsteiger. Man traf ihn hin und wieder im Glockenbachviertel, eines Abends scheiterte er beim Einparken. "Hey, Strasser, kannst du das? Mach du mal!" Ich lehnte dankend ab. Keine Pointe.

Aber eine schöne Erinnerung an eine andere Zeit. Macht's gut, Männer!

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