Torjäger gesucht: Die K-Frage beim DFB-Team
Leipzig - Auch ohne den Treffer von Max Kruse hätte die Nationalelf das Ticket für die EM-Endrunde gelöst. Dann eben noch schmuckloser, noch trostloser. Das 2:1-Siegtor des Wolfsburger Stürmers gegen Georgien wird in Erinnerung bleiben als ironischer Schlusspunkt einer zähen, holprigen Qualifikationsrunde. Und doch könnte es für Kruse eine schmerzhafte Erinnerung werden. Dann nämlich, wenn der 27-Jährige kommenden Sommer nicht nominiert wird von Bundestrainer Joachim Löw für das Turnier in Frankreich.
Also gilt es für die Spezies Strafraumstürmer, sich über die kleinen Dinge im Leben zu freuen. „Wir haben uns geschworen, egal, wer von uns reinkommt, macht den Siegtreffer“, erzählte Kruse vom Smalltalk beim Warmlaufen mit dem Leverkusener Karim Bellarabi. Mit dem ersten Ballkontakt knipste Kruse (79.) nach Pass von Mesut Özil. Ein herausgespielter, herauskombinierter Treffer, so wie es Löw gefällt.
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Bildete die schwache Chancenverwertung die Grundlage für eine Renaissance des klassischen Mittelstürmers? Eines Killers, eines Knipsers? Kurz: eines Typen wie einst Miroslav Klose? Der Weltmeisterknipser stellt seit dem Titel 2014 seine Killerfähigkeiten nur noch Lazio Rom, seinem Verein, zur Verfügung. Und damit Löw und die Mittelstürmer-Nation samt Ur-Torjäger Gerd Müller vor Probleme. Löw muss die K-Frage lösen. Wer knipst? Wer killt künftig?
Sechs Chancen pro Treffer, so hatten Statistiker errechnet, benötigte die Nationalelf bis zum Georgien-Spiel in der laufenden Qualifikation. „Mittlerweile sind wir wohl bei sieben oder acht“, ergänzte Löw in Leipzig. Man sei „nicht mehr so tödlich für die Gegner“. Diese Spielergeneration um die kleinen, schnellen und wendigen Typen wie Mario Götze, Marco Reus und Mesut Özil möchte den Ball ins Tor kombinieren. Doch Schönspielerei sollte erst auf ein 2:0 oder 3:0 folgen. „Die Spieler müssen begreifen, dass eine Chance vielleicht die allerletzte im Spiel ist“, forderte Löw mehr Konsequenz und sagte: „Wir sind im Moment ein Boxer, der viele Treffer landet, aber nicht frühzeitig den K.o. schafft.“
In der Post-Miro-Klose-Ära ist kein klassischer Vollstrecker in Sicht. Mario Gomez (30) ist noch aktiv, stürmt und trifft zwar in einer 1-B-Liga wie in der Türkei für Besiktas Istanbul. Aber er trifft. Wie Alexander Meier (32). Der Frankfurter Torschützenkönig der vergangenen Saison bekommt immer mehr Befürworter, nicht nur aus den eigenen Reihen. Doch eine DFB-Einladung? Kennt man Löw samt seiner Prinzipien und Vorstellungen eher unwahrscheinlich. Gomez dagegen dürfte wohl schon im November wieder reinschnuppern in den DFB-Kader.
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„Wenn ein Spieler da ist, der die Form hat und das Selbstbewusstsein, da bin ich um jeden Stürmer froh, der für seinen Verein regelmäßig trifft“, meinte Löw, „aber man braucht jetzt nicht glauben, dass man einen großen, kopfballstarken Spieler braucht – einen Horst Hrubesch.“ Der heutige U21-Nationaltrainer köpfte und knipste die Nationalelf 1980 zum EM-Titel. Das Spielsystem umstellen, plötzlich auf einen Stoßstürmer zuschneiden? Hält Löw für „einen Fehler“, denn: „Dann haben wir keine Chance, weil jede Mannschaft hinten drei, vier extrem kopfballstarke Leute hat.“ Kruse, der Siegtorschütze von Leipzig, ist wie Hoffenheims Kevin Volland allenfalls als Joker ein Thema. Vor der EM stehen beide wieder als Streichkandidaten zur Disposition. Dann knipst sie Löw eventuell aus dem Kader. Als Stürmerkiller.