Top Secret: Wie der VfB um Babbel kämpft
Markus Babbel ist Münchner, er hat beim FC Bayern gespielt. Seit Herbst ist er Teamchef beim VfB Stuttgart, ohne Trainerlizenz. Am Dienstag will er seinen ehemaligen Arbeitgeber im DFB-Pokal ärgern und Werbung machen für einen weiteren Vertrag, den der DFB bisher ablehnt. Im Hintergrund arbeiten die VfB-Bosse an einer Lösung
STUTTGART Markus Babbel hatte die Hand zur Faust geballt und stieß einen Jubelschrei aus, der fast Orkanstärke erreichte. Zum Glück konnte man nur erahnen wie laut Babbel sein kann, wenn er sich so narrisch freut. Der VfB Stuttgart hatte zum Neujahrsempfang geladen. Man zeigte auf einer Videoleinwand und Fernsehern Szenen aus den vergangenen Wochen. Es gab Sekt, Maultaschen mit Kraut und eine ordentliche Portion Zuversicht.
Die hat am Neckar viel mit Babbel zu tun, dabei steht am Tag des Pokal-Achtelfinals gegen seinen ehemaligen Klub FC Bayern nicht einmal fest, ob der Europameister von 1996 noch lange als Cheftrainer ohne Lizenz arbeiten darf. Bis Saisonende ist das nur mit einer Sondergenehmigung möglich. Fest steht aber, der VfB verspricht sie viel vom ehemaligen Nationalspieler: Zuerst einen Sieg über Jürgen Klinsmann, den er beim 2:2 in der Liga vor Weihnachten schon fast schaffte und dann, dass er in der kommenden Saison als Cheftrainer mit Diplom weitermacht.
In der Sache hat man sich in Stuttgart zu einer Art stiller Diplomatie entschlossen. Hinter den Kulissen wird dabei mehr gesprochen als verhandelt, weil vor allem die Schwaben nicht den Eindruck erwecken, sie wollten dem Deutschen Fußball-Bund als Ausbildungsinstitution Vorschriften machen. Nur manchmal lässt Manager Horst Heldt durchschimmern, was den Stuttgartern vorschwebt. "Wir sehen es durchaus als Pflicht des DFB an, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit jemand wie Markus Babbel die nötige Ausbildung machen kann", sagt Heldt. "Das Thema tangiert nicht nur uns, es geht bis in die dritte und vierte Liga. Es ist schwer vermittelbar, dass einer seinen Beruf aufgeben muss, mit dem er Geld verdient, um sich Fortzubilden".
Heldts Argumente sind nachvollziehbar und in der Verbandszentrale des DFB wird an einer Entzerrung des Lehrganges gearbeitet, um die Ausbildung zeitlich flexibler zu gestalten. Der Stuttgarter Manager klingt zuversichtlich, wenn er sagt: "Wir haben vor, mit Markus Babbel über diese Saison hinaus zu arbeiten". Deshalb brach keine Unruhe aus als gemeldet wurde, Bernd Schuster stehe als neuer Trainer bereits fest.
Darüber, dass die Stuttgarter eine gefühlte Bringschuld beim Verband sehen, spricht Heldt lieber nicht. Im Sommer wird der VfB-Nachwuchstrainer Rainer Adrion beim DFB als U-21-Nationaltcoach anfangen. Man hat Adrion nur schweren Herzens gehen lassen und kam den Trainersuchern beim DFB in gewisser Weise entgegen. Eine "Lex Babbel" jedoch lehnt Heldt ab: "Es geht um eine Gesamtlösung, die in unsere moderne Zeit passt."
Babbel ist mit seinen Ansichten so vorsichtig wie Heldt. Mit einem Lächeln hört er die Lobeshymnen über seine Arbeit, die sogar von Uli Hoeneß aus München kommen, der dem ehemaligen Bayern-Verteidiger sogar das "Bayern-Gen" zugesteht. "Es kommt wie es kommt", sagt Babbel und beteuert, ganz im Augenblick aufzugehen. "Ich kann nur von Tag zu Tag arbeiten und mich empfehlen. Was im Sommer passiert, entscheiden andere. Bis dahin will ich meine Chance nutzen".
Der gebürtige Münchner mühte sich von Anfang an, Selbstvertrauen auszustrahlen und zu vermitteln. "Er hat einen guten Geist entwickelt und Hebel in Bewegung gesetzt", sagt Heldt nachdem Babbel seine erste Vorbereitung als Chef durchzog. In Portugal hielt es Babbel wie an seinem ersten Tag als man von ihm kein negatives Wort hörte. Mit guten Ergebnissen im Rücken, polierte der 36-jährige das ramponierte Selbstvertrauen und führte den VfB aus einer emotionalen Sackgasse.
"Er hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Autorität. Es gab bei uns lange viele Spieler, die sich kaum eine Chance ausrechneten, er hat vielen Mut und Kraft gegeben", berichtet Stürmer Mario Gomez. Babbel wirkt wie ein Motivationstrainer, der den Eindruck vermeidet, Einzelkämpfer zu sein. Seine Botschaft scheint anzukommen: Nur wenn Ihr gewinnt, kann auch ich gewinnen. "Wir haben Großes vor in der Rückrunde", sagt Babbel. Auf den dazu passenden Schrei hat er diesmal glücklicherweise verzichtet.
Oliver Trust