Toni Kroos: Heilsbringer oder Rohrkrepierer? Wie andere DFB-Comebacks endeten

München - Nervosität? Druck? Merkt und sieht man Toni Kroos beinahe nie an. Nur wenn es um seine Kinder Leon, Amelie und Fin geht, kommen die Emotionen beim 34-Jährigen zum Vorschein.
"Die gehen natürlich davon aus, dass hier der Titel geholt wird. Alles andere wird schwer akzeptiert", sagte der DFB-Rückkehrer drei Tage vor dem EM-Eröffnungsspiel gegen Schottland im Nationalelf-Quartier in Herzogenaurach und fügte mit einem Lächeln hinzu, dass seine Kinder "leider ein bisschen erfolgsverwöhnt" seien, weil sie "die letzten Jahre nicht viel Nationalmannschaft mitbekommen haben". In Madrid, wo ihr Papa Trophäe um Trophäe mit Real gewann.
EM-Titel für Toni Kroos "fast zu kitschig"
Der Titel bei der Heim-EM als Karriere-Abschluss sei "fast zu kitschig", so Kroos, war dennoch in seinem Kopf seit dem Entschluss, nach knapp drei Jahren Absenz im März zurückzukehren. "Wenn ich diese Fantasie und diese Idee nicht hätte, hätte ich es nicht gemacht."
Folgt am 14. Juli in Berlin das perfekte Happy End des Comebacks? Wie erfolgreich waren frühere DFB-Rückkehrer bei großen Turnieren? Wer wurde zum Heilsbringer, wer Rohrkrepierer? Eine Übersicht:
Für Fritz Walter war im Halbfinale Endstation
Fritz Walter 1958:

Der legendäre Kapitän der "Helden von Bern", der Weltmeistermannschaft von 1954, war beim Finalerfolg gegen Ungarn (3:2) bereits 33 Jahre alt. Den Pfälzer plagten zahlreiche Verletzungen und Krankheiten, zwei Jahre später, im November 1956, machte er ausgezehrt Schluss. Sein Entdecker, Förderer und Freund, Bundestrainer Sepp Herberger, konnte den Mittelstürmer ("mein Fritz") überreden, im März 1958 zurückzukehren, um an der WM in Schweden teilzunehmen. Dort war im Halbfinale Endstation, nach fünf Spielen ohne Walter-Tor. Nach dem 1:3 gegen die Gastgeber schloss er das Kapitel DFB endgültig.
Hans Tilkowski 1966:

Völlig erbost, weil Herberger bei der WM 1962 in Chile als DFB-Torhüter Wolfgang Fahrian vorzog, trat der Dortmunder aus der Nationalelf zurück. 1964 kehrte Tilkowski zurück, bestritt die WM 1966 in England als Nummer eins und kassierte im Finale das bittere "Wembley-Tor", das 2:3 von Geoff Hurst in der Verlängerung (Endstand 2:4). Sein 38. von 39 Länderspielen, danach war Feierabend.
Uwe Seeler wurde mit Deutschland WM-Dritter bei seinem Comeback
Uwe Seeler 1970:

Als erst 17-Jähriger hatte der Hamburger im Oktober 1954 unter Herberger sein DFB-Debüt gegeben, trat im April 1968 zurück - zuvor hatte die Nationalelf die EM 1968 kläglich verpasst. Bundestrainer Helmut Schön köderte den Stürmer im Sommer 1969 mit einem Startelfplatz bei der WM 1970 neben Gerd Müller.
Wider Erwarten funktionierte das Zusammenspiel, Deutschland wurde Dritter (drei Seeler-Tore, drei Vorlagen). Im September 1970 trat "Uns Uwe" mit fast 34 endgültig zurück.
Paul Breitner 1982:

Der Oberbayer wurde 1972 Europa- und 1974 Weltmeister (samt Finaltor) - jeweils als Stammspieler. Im Oktober 1975 trat Breitner aus dem DFB-Team zurück. So verpasste er die EM 1976 und die WM 1978, ließ sich von Schöns Nachfolger Jupp Derwall 1981 von einem Comeback überzeugen. Doch die WM 1982 in Spanien war ein Flop - vor allem die "Schande von Gijón", das Ballgeschiebe gegen Österreich (1:0). Im letzten von Breitners nur 48 Länderspielen erzielte er den Anschlusstreffer zum 1:3 im Finale gegen Italien.
DFB-Comebacks von Völler und Matthäus nicht von Erfolg gekrönt
Rudi Völler 1994:

In die EM 1992 ging "Tante Käthe" als 90er-Weltmeister und Kapitän, brach sich im Auftaktspiel den Arm, trat die Heimreise an - und dann zurück. Trotz seines Abschiedsspiels im Oktober 1992 holte Bundestrainer Berti Vogts den Mittelstürmer für die WM 1994 in den USA zurück. Beim 3:2 im Achtelfinale gegen Belgien gelangen Völler, damals 34 Jahre alt, zwei Treffer. Die 1:2-Pleite im Viertelfinale gegen Bulgarien war sein 90. und letztes Länderspiel.
Lothar Matthäus 1998:

Im Dezember 1994 trat der 90er-Weltmeister nach seinem 122. Länderspiel zurück, doch vor der WM 1998 in Frankreich ereilte ihn die Bitte von Vogts zurückzukehren. Libero Matthäus konnte aber das Debakel (0:3-Pleite im Viertelfinale gegen Kroatien) auch nicht verhindern. Das 0:3 gegen Portugal, zugleich das Vorrunden-Aus bei der EM 2000, war ein unwürdiges 150. und letztes Länderspiel von Matthäus, mit 39 Jahren.