„Take-off for Glory“: EM-Mission mit klarem Auftrag
Danzig Abflug zum Ruhm? „Take-off for Glory“ war zumindest schon auf der Gangway des riesigen Jumbo-Jets 747-8 zu lesen, auf der die DFB-Stars trotz Regens noch ein letztes Mal in die Kameras lächelten. Dann ging es endlich los. Pünktlich um 13.35 Uhr startete die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit dem Sonderflug LH 342 am Montag von Frankfurt/Main aus ihre EM-Mission – mit einem ganz klaren Auftrag: Erstmals nach dem Triumph 1996 soll wieder ein Titel den Deutschen Fußball-Bund (DFB) schmücken.
Auf dem Weg dorthin wurde dem dreimaligen Welt- und Europameister beim Abflug, aber auch bei der Ankunft in Polen schon mal sprichwörtlich der Rote Teppich ausgerollt. Offiziell wurde der DFB-Tross nach der Landung um 15.06 Uhr bei leicht bewölktem Himmel, aber nur 14 Grad Celsius von Danzigs Bürgermeister Pawel Adamowicz willkommen geheißen, ehe es auch im noblem EM-Quartier „Dwor Oliwski“ einen großen Bahnhof für die Deutschen gab.
Doch viel Zeit im luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel blieb Philipp Lahm und Co. zunächst nicht. Unmittelbar nach der Ankunft im „Olivenhof“ ging es im EM-Mannschaftsbus mit der Aufschrift „Von Spiel zu Spiel zum großen Ziel“ gleich zur einzigen öffentlichen Übungseinheit ins kleine Lechia-Stadion weiter. Dort sorgten rund 11.000 Fans schon einmal für die nötige EM-Stimmung, die erstmals auch Bastian Schweinsteiger nach seiner Wadenverletzung genießen konnte. Mit dem 27-Jährigen als Mittelfeldchef soll der große Wurf gelingen.
„Die Sehnsucht nach einem Titel ist bei uns allen so groß wie noch nie. Wir werden alles tun, den Titel zu holen“, hatte Bundestrainer Joachim Löw bereits im Vorfeld der EM in Polen und der Ukraine mehrmals unterstrichen. Das DFB-Team sei „bereit“, fügte der Bundestrainer vor dem Abflug an: „Wir sind froh, dass es jetzt los geht“.
Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hob noch einmal die historische Dimension der „Mission 2012“ hervor. „Ich habe denen vor Augen gehalten, dass sie bei den letzten Turnieren noch als Fans die Daumen gedrückt haben. Jetzt sind sie Teil dieser Mannschaft und können selbst Geschichte schreiben“, sagte der 61-Jährige mit Blick auf die neun Turnier-Neulinge im SID-Gespräch und bezeichnete den möglichen vierten EM-Titel vor dem Turnier-Auftakt am Samstag (20.45 Uhr/ARD) in Lwiw gegen Portugal als „Krönung“.
1972, 1980, 1996 und jetzt 2012? Mit einer imposanten Qualifikation für das Turnier hat die DFB-Auswahl die Erwartungshaltung noch einmal erhöht und laut Teammanager Oliver Bierhoff dafür gesorgt, „dass die Menschen jetzt träumen“. Wie etwa Lufthansa-Pilot Peter Hänzel, der die deutsche Elf nach Danzig flog. „Ich hoffe, dass ich sie am 2. Juli nach dem Finale in Kiew wieder abholen darf“, sagte er bei seiner Borddurchsage vor dem Start.
Doch vor dem Druck ist Löw, der mit seinem Team am Montagvormittag in der DFB-Zentrale von rund 200 Mitarbeitern mit einem Spalier und viel Beifall verabschiedet wurde, nicht bange. Die Mannschaft sei „relativ schwindelfrei und kann mit dieser Situation umgehen“. Aber das Team alleine am Titel zu messen, „halte ich für unangemessen“, führte er weiter aus: „Ich finde es erschreckend, wenn es heißt, sie müssen das. Wenn man von müssen redet, gewinnt man gar nichts. 2012 ist nicht das Alles-oder-nichts-Jahr im deutschen Fußball.“
Sie müssen nicht, aber sie wollen unbedingt. Auch eine holprige Vorbereitung soll die DFB-Auswahl nicht von ihrem Weg abbringen. Zweifel? „Ich mache mir da keine Sorgen. Gegen Portugal muss der Rasen brennen“, sagte stellvertretend Lukas Podolski, der am Montag seinen 27. Geburtstag feierte.
Für Löw sind die verbleibenden Tage bis zum Portugal-Spiel für das „Fein-Tuning“ entscheidend. Noch sind einige Aufstellungsfragen offen: Philipp Lahm rechts oder links, Per Mertesacker oder Mats Hummels, Bastian Scheinsteiger oder Toni Kroos, Miroslav Klose oder Mario Gomez? Löw spricht von Kleinigkeiten, machte aber deutlich, „dass ich den Konkurrenzkampf bis zum Schluss sehen will“.
Über den kommenden Gegner Portugal dürfen die DFB-Stars derzeit sprechen, die Niederlande, Dänemark, Spanien oder der mögliche EM-Triumph wurden von Löw indes zu Tabu-Themen erklärt. Er halte es „nicht für richtig, von Gegnern, die es vielleicht gar nicht gibt, zu sprechen. Jetzt vom Halbfinale oder Finale zu sprechen, ist tödlich bei einem Turnier.“ Weshalb wohl Lahm schon einmal einschränkte: „Eine EM ist kein Selbstläufer. Es gibt keine Garantien.“
Immerhin starteten die Nationalspieler gut gelaunt in ihre EM-Mission. Vor dem Abflug sorgte der deutsche Comedian und Autor Steffen Möller ('Viva Polonia!") für eine kurze und launige Einstimmung auf das Gastgeberland Polen. Möller, der auch das Training am Abend moderierte, hat in Polen bereits großen Ruhm erlangt – die deutsche Nationalmannschaft will dies noch erreichen.