„Südafrika ist bereit – für die Mutter aller Parties“

Südafrikas Generalkonsulin im großen AZ-Interview über die Sorgen vor der WM, über die Sicherheit im Land, über die Weigerung ihrer Regierung, den Dalai Lama einreisen zu lassen - und über ihre erste Radlermass auf der Wiesn
Von Florian Kinast
AZ: Die WM in Deutschland 2006 nannte man „Sommermärchen“. Das wird es in Ihrer Heimat 2010 nicht, Frau Mokuena, im Juli herrscht in der südlichen Hemisphäre Winter. Aber wird die WM in Südafrika denn zumindest ein Märchen?
TSELANE MOKUENA: Erst einmal zum Winter. So richtig eisig wird es sicher nicht bei uns. Sechs Grad plus vielleicht, dann ist es aber schon sehr kalt. Und zum Märchen: Die Menschen freuen sich so sehr, wir sind bereit für die erste WM auf afrikanischem Boden. Und auch wenn wir vielleicht unsere Jacken anziehen müssen, ich sage Ihnen, das wird die Mutter aller Parties. So eine WM wird die Welt noch nicht gesehen haben.
Eine WM im positiven Sinn? Die Stadion-Katastrophe Ende März an der Elfenbeinküste mit 19 Toten weckte Sorgen, so etwas könne auch bei der WM in Südafrika passieren.
Ich sehe diese Gefahr nicht. Der große Unterschied zu Abidjan ist, dass die Tickets bei uns schon lange vor der WM vergeben werden und personenbezogen sind. Natürlich, die Menschen in unserem Land sind es nicht gewohnt, sich Tickets im Vorverkauf zu besorgen. Doch genau deswegen sensibilisieren wir die Bevölkerung mit Duchsagen im Fernsehen, im Radio. Es macht gar keinen Sinn, zum Stadion zu gehen und dort auf ein Ticket zu hoffen. Genau deswegen entstand ja so oft eine Stampede, eine Massenpanik mit vielen Toten. Bei uns wird das nicht so sein.
Es gibt aber auch Befürchtungen, was die Sicherheit auf den Straßen angeht.
Wir bilden gerade noch zusätzlich 41 000 Polizisten aus, insgesamt werden dann über 200 000 Polizei- und Sicherheitsbeamte im Einsatz sein. Rund um die Hotels, die Stadien, die Touristenattraktionen. Das tun wir, damit sich unsere Gäste wohlfühlen, durch die Polizeipräsenz wollen wir ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben.
Ist das kein Widerspruch? Kann bei so einem massiven Aufgebot an Uniformierten überhaupt eine große Party entstehen?
Natürlich – solange sich alle, die Einheimischen wie die Gäste, an die Gesetze halten. Wir hatten viel Polizei auch bei anderen Großveranstaltungen wie der Cricket-WM oder der Rugby-WM. Die Polizei wird niemanden davon abhalten, zu feiern. Wir sind kein Polizeistaat, in dem jede Minute ein Mensch verhaftet wird. Das hatten wir in der Apartheid. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Ich habe manchmal das Gefühl, die Welt übertreibt mit ihren Befürchtungen. Bei allen Problemen mit Kriminalität, wir sind kein Land im Kriegszustand. Es ist nicht wie Bagdad. Die Menschen aus der ganzen Welt werden sich sicher fühlen bei uns. Wir wollen die Menschen mit offenen Armen empfangen
Wirklich alle? Wirklich aus der ganzen Welt? Erst kürzlich gab es Ärger, weil Ihr Land dem Dalai Lama die Einreise verweigerte. Just an dem Tag, als Südafrika die Zusammenarbeit mit China bei einem neuen Atomreaktorensystem verkündete. Ist das nicht verwunderlich, dass gerade Südafrika mit seiner Geschichte nun ein Land ist, das jetzt einen Vertreter der Menschenrechte ausgrenzt?
Wir grenzen niemanden aus. Wir sind eines der offensten Länder der Welt. Gerade wegen unserer Geschichte. Alle Menschen sind willkommen. Und zum Dalai Lama: Er war von den Veranstaltern der Konferenz eingeladen.
Einer Friedenskonferenz gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, die die Kraft des Sports dokumentieren sollte. Nach der Ausladung des Dalai Lama sagten die Organisatoren die Veranstaltung aus Protest ab. Der Sport also doch wieder als Spielball der Politik.
Für uns war sein Besuch zu diesem Zeitpunkt nicht opportun. Er war ja zweimal zu Besuch in unserem Land, aber nun dachten wir, der Fokus solle auf der Vorbereitung der WM liegen, nicht auf dem Dalai Lama. Das hätte abgelenkt. Mit unserer Apartheids-Historie haben wir viele Freunde, die an der Seite des Dalai Lama kämpfen, sein Anliegen ist auch sehr wichtig. Wir wollen ihn ja nicht für den Rest seines Lebens ausschließen.
Kommt er zur WM?
Soweit sind wir noch nicht. Reden wir darüber, wenn die WM dann kommt.
Reden wir auch darüber, ob die WM den Menschen im Lande überhaupt etwas bringt, den Armen in den Townships etwa.
Viel. Sehr viel. Allein durch den Stadionbau wurden 110000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Dazu kamen neue Jobs beim Straßenbau, bei der Eisenbahn, der ganzen Infrastruktur. Und im Etat der WM ist auch viel Geld, um den Menschen günstige Häuser zu geben. Strom, ein Bad, eine Toilette. Für die Menschen in meiner Heimat ist das sehr bedeutsam. Das können Sie in Deutschland kaum nachvollziehen. Hier ist das ganz selbstverständlich, es ist hier ja kein Thema, ob man ein Haus oder eine Wohnung mit oder ohne Bad kauft.
Nein. Und es gibt sicher noch viel mehr Unterschiede zwischen Menschen und den Kulturen. Sie leben seit einem guten halben Jahr in München, wie viel Südafrikaner steckt denn im Münchner?
Viel. Gut, wir tanzen besser als Sie. Viel besser. Wir haben mehr Rhythmus, wir sind auch offener im Zugang zu den Menschen. Umarmender. Als ich hier in meine Wohnung zog, habe ich erst einmal alle meine neuen Nachbarn eingeladen. Sie selbst hätten bei mir nie geklingelt. Weil Sie einfach vorsichtiger sind, zurückhaltender als wir. Aber ja, es gibt eine große Gemeinsamkeit, das ist die Freundlichkeit. Die Herzlichkeit. Die Freude am Leben.
Liegt vielleicht am südlichen Gemüt. Sie im Süden von Afrika, wir im Süden von Deutschland.
Ja, die Menschen des Südens. Das gefällt mir gut. Ich erzähle Ihnen mal etwas: Ich bin am 1. Oktober hier angekommen. Und am 2. Oktober war ich schon aufs Oktoberfest eingeladen.
Sie Arme. Und Sie wollten daraufhin nicht am 3. Oktober gleich wieder heimfliegen?
Nein. Ich war zwar tatsächlich geschockt, aber positiv. Ich bin schon viel herumgekommen in der Welt, ich habe aber noch nie in Europa so viele Menschen gesehen, die so laut und fröhlich lachen.
Und die so viel trinken.
Das wollte ich nicht sagen. Es war ein guter Eintritt, ein guter Anfang. Auch wenn die erste Radlermass etwas gewöhnungsbedürftig war. Aber sie hat dann doch gut geschmeckt. Ich habe die Stadt und die Menschen schätzen gelernt, die Umgebung, die Seen, die Berge, den Wendelstein etwa. Und jetzt freue ich mich nach dem langen Winter auch schon sehr auf die schönen Biergärten.
Und auf die Wiesn im Herbst.
Natürlich. Davor kaufe ich mir aber noch ein Dirndl.