Stil-Kritik prallt ab - Van Marwijk will WM-Titel

Durban (dpa) - Ergebnisfußball statt Angriffsspektakel: Trotz des souveränen Einzugs ins WM-Achtelfinale nach Siegen über Dänemark (2:0) und Japan (1:0) hagelt es Kritik aus den Niederlanden an der bisher unattraktiven Spielweise der «Elftal».
Doch Trainer Bert van Marwijk und die Spieler verteidigten nach der dürftigen Offensiv-Vorstellung gegen die Asiaten die Abkehr vom Hurra-Stil früherer Jahre vehement und gingen zum verbalen Angriff über. «Alle wollen immer tollen Fußball von uns sehen und ein 5:0 zur Halbzeit», schimpfte der Bondscoach. «Aber das geht nicht immer und dann muss man auch Mal hässliche Spiele erfolgreich gestalten.» Ein Schönheitspreis interessiert van Marwijk nicht, der Titel schon: «Wir sind hierher gekommen, um was zu gewinnen. Wir wollen Weltmeister werden», tönte er.
«Oranje» hat aus den bitteren Erfahrungen seine Lehren gezogen. Noch bei der EURO vor zwei Jahren rauschte die Elf unter van Marwijks Vorgänger Marco van Basten mit drei begeisternden Siegen gegen Weltmeister Italien (3:0), Vizeweltmeister Frankreich (4:1) und Rumänien (2:0) durch die Vorrunde und spielte sich in die Herzen der Fans. Als die Holländer im Viertelfinale gegen Russland einbrachen und in der Verlängerung mit 1:3 verloren, vergossen sie bittere Tränen. Bei der WM 2006 kam das Aus ebenfalls im ersten K.o.-Spiel, im denkwürdigen Achtelfinale gegen Portugal.
Wie ein roter Faden ziehen sich solche Pleiten bei großen Turnieren durch die niederländische Fußball-Geschichte: Toll gespielt, aber nichts gewonnen. Abgesehen vom EM-Titel 1988. «Ich kann es nicht mehr hören. Wir waren 1974 die Besten, aber haben verloren. Wir waren 1978 die Besten und haben verloren. Ich finde, Bert van Marwijk macht das richtig und die Mannschaft versteht, was er will», sagte der frühere Bondscoach Leo Beenhakker am Sonntag beim öffentlichen Training der Oranjes.
Ein ähnliches Schicksal wie so häufig soll dem Team in Südafrika erspart bleiben. Daher bläute der früheren Coach von Borussia Dortmund den Ballkünstlern um Wesley Sneijder, Rafael van der Vaart, Robin van Persie und dem gegen Japan noch pausierenden Arjen Robben Pragmatismus ein.
«Es geht erstmal darum, Siege einzufahren. Auch ich liebe es, mit wunderschönen Spielen zu gewinnen. Aber manchmal ist dafür kein Platz und man braucht Geduld, besonders gegen einen defensiv gut organisierten Gegner», betonte van Marwijk. Mit einem Verweis auf den Europameister nahm er den Kritikern den Wind aus den Segeln. «Ich habe die Spanier gegen die Schweiz gesehen und ihr Spiel genossen. Aber am Ende haben sie verloren. Wir haben sechs Punkte.»
Einer der für mehr Esprit im Spiel der Oranjes sorgen könnte, wäre Robben. Der Münchner trainierte am Sonntag zum zweiten Mal komplett mit dem Team. Im letzten und für die Niederländer bedeutungslosen Gruppenspiel gegen Kamerun wird der 26-Jährige aber wohl noch geschont. «Ich werde Arjen alle Zeit geben. Er ist noch nicht bei 100 Prozent», begründete van Marwijk.
Die Zeitung «Telegraaf» schrieb von einem Sieg «in deutscher Manier». Doch selbst dem scheidenden Präsidenten des Fußball-Verbands (KNVB), Henk Kessler, ist das egal: «Du kannst nicht wie bei der EM 2000 tollen Fußball spielen und dann doch mit leeren Händen da stehen. Da mache ich es lieber auf die deutsche Art und Weise: Schlecht spielen und am Ende mit dem Pokal nach Hause gehen.»
Auch gegen die Japaner, denen dank der besseren Tordifferenz ein Remis gegen Dänemark im letzten Gruppenspiel in Rustenburg zum Weiterkommen genügen würde, heiligte in Durban der Zweck die Mittel. Kontrolle statt Esprit. Selbst beim Siegtor von Sneijder (53.) bedurfte es der Hilfe des Gegners: Japans Keeper Eiji Kawashima ließ dessen Distanzschuss durch die Hände gleiten.
Laut Rafael van der Vaart steckt hinter den uninspirierten Darbietungen Kalkül. Die Show hebt man sich angeblich für später auf. «Im Moment müssen wir nicht mehr machen. Wir können besser spielen und wir werden das auch noch zeigen», versprach der erneut indisponierte Profi von Real Madrid. Sein früherer HSV-Teamkollege Joris Mathijsen ist «total genervt» von der Debatte in der Heimat. «In Holland können sie schreiben, was sie wollen. Das ist uns egal. Wir haben auf dem Platz das Gefühl, dass wir nicht verlieren können. Das ist wichtiger als schöner Fußball», betonte der Abwehrspieler.