Sternstunden und Schlappen: Deutsche WM-Halbfinals

FRANKFURT - Sternstunden, Schlappen und ein "Jahrhundertspiel": Die Geschichte der deutschen Halbfinalspiele bei Fußball-Weltmeisterschaften ist geprägt von Jubel und Jammer, Triumphen und Tragik.
Viermal - zuletzt vor vier Jahren bei der Heim-WM - war die Vorschlussrunde Endstation aller Hoffnungen. Siebenmal ging's weiter bis ins Endspiel. Dreimal gelang der Titelgewinn, viermal zog das Team im Finale den Kürzeren. Am 7. Juli steht für die deutschen Kicker gegen Spanien das zwölfte WM-Halbfinale an.
Die deutschen WM-Halbfinals:
3. Juni 1934 in Rom: 1:3 gegen die Tschechoslowakei
Die WM-Premiere der Deutschen verlief vielversprechend. Reichstrainer Otto Nerz führte seine Elf durch Siege über Belgien (5:2) und Schweden (2:1) in die Runde der letzten Vier. Dort ging der Erfolgsweg des Teams zu Ende. Zwar gelang Rudolf Noack in der 59. Minute der Ausgleich. Doch durch drei Treffer von Oldrich Nejedly zogen die favorisierten Tschechoslowaken ins Endspiel ein. Am Ende blieb der Trost, im Spiel um Platz drei Österreichs «Wunderelf» mit 3:2 entzaubert zu haben.
30. Juni 1954 in Basel: 6:1 gegen Österreich
Die «Sternstunde von Basel» ging dem «Wunder von Bern» voraus: Beim Schützenfest gegen die hoch gehandelten Österreicher wurde die Fußball-Welt erstmals auf die Elf von Sepp Herberger aufmerksam. Max Morlock schoss drei Tore, Fritz Walter verwandelte zwei Elfmeter und sein Bruder Otmar steuerte den sechsten Treffer bei. Lediglich Probst hatte beim 1:2-Anschluss für Austria Hoffnungen aufkommen lassen. Vier Tage später bekam auch Ungarn die Stärke der DFB-Auswahl zu spüren. Mit 3:2 gelang der erste Titeltriumph.
24. Juni 1958 in Göteborg: 1:3 gegen Schweden
Auf dem erneuten Weg ins Finale wurde die Herberger-Elf von den «Heja, heja»-Rufen schwedischer Fans und dem ungarischen Referee Istvan Zsolt gestoppt. Provoziert von Rechtsaußen «Kurre» Hamrin leistete sich Erich Juskowiak eine Tätlichkeit und flog vom Platz. Mit neuneinhalb Mann - Fritz Walter war nach einer Verletzung nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte - ging die Führung durch Hans Schäfer verloren. Skoglund, Gren und Hamrin schossen Schweden ins Finale. Im Spiel um Platz drei fehlte die Kraft: 3:6 gegen Frankreich.
25. Juli 1966 in Birmingham: 2:1 gegen die Sowjetunion
Lew Jaschin schien für die deutschen Angreifer zum unüberwindlichen Hindernis zu werden. Bis zur 43. Minute brachte der legendäre Torwart aus Moskau die Angreifer zur Verzweiflung, dann gelang Helmut Haller das Führungstor. Mit einem Distanzschuss sorgte Franz Beckenbauer (68.) für die Entscheidung, der Anschluss durch Porkujan (88.) nach Fehler von Hans Tilkowski fiel zu spät. Helmut Schöns Elf stand im Finale. Das «Wembley-Tor» in der Verlängerung leitete die 2:4-Niederlage gegen England ein.
17. Juni 1970 in Mexiko-Stadt: 3:4 nach Verlängerung gegen Italien
Zum «Jahrhundert-Spiel» wurde die Partie im Glutofen des Azteken- Stadions erst in der Verlängerung. Boninsegna hatte Italien in Führung gebracht, Karl-Heinz Schnellinger in der 90. Minute ausgeglichen. Und dann ging es Schlag auf Schlag: 2:1 Müller, 2:2 Burgnich, 2:3 Riva, 3:3 Müller, 3:4 Rivera - Aus. Sündenbock für die Deutschen: Schiedsrichter Arturo Yamasaki. Zwei Elfmeter hatte der Mexikaner Helmut Schöns Elf verweigert. Platz drei durch ein 1:0 gegen Uruguay war für das erschöpfte Team nur ein schwacher Trost.
3. Juli 1974 in Frankfurt: 1:0 gegen Polen
Die «Wasserschlacht» von Frankfurt war eigentlich kein echtes Halbfinale, dennoch hatte die Begegnung diesen Charakter. Im Spiel gegen die punktgleichen Polen ging es um den Gruppensieg in der zweiten Finalrunde. Das «goldene Tor» auf dem von Pfützen übersäten Rasen des Waldstadions erzielte eine Viertelstunde vor Schluss Gerd Müller. Das Endspiel war erreicht. Am Ende stand der zweite WM-Titel mit dem 2:1 in München über die Niederlande.
8. Juli 1982 in Sevilla: 3:3 n.V. gegen Frankreich, 5:4 im Elfmeterschießen
Als Horst Hrubesch für die Entscheidung sorgte, war es fast Mitternacht. Der Hamburger verwandelte den sechsten deutschen Elfmeter und machte damit den vierten Final-Einzug perfekt. Die 1:0- Führung durch Littbarski hatte Platini per Foulelfmeter ausgeglichen. In der Verlängerung führte Frankreich durch Tresor und Giresse 3:1. Rummenigge und Fischer per Fallrückzieher glichen wieder aus. Für den negativen Höhepunkt sorgte Toni Schumacher mit seinem Tritt gegen Patrick Battiston. Im Finale unterlag Deutschland Italien mit 1:3.
25. Juni 1986 in Guadalajara: 2:0 gegen Frankreich
Schon wieder gegen Frankreich. Diesmal war die «Equipe tricolore» klarer Favorit gegen die DFB-Elf, die sich regelrecht ins Halbfinale =«gemogelt» hatte. Doch in der 9. Minute ging Franz Beckenbauers Team durch Andreas Brehme in Führung, Superstar Platini brachte den Europameister nicht mehr richtig in Schwung. Völlers Tor in der Schlussminute legte den Weg ins Azteken-Stadion endgültig frei. Doch beim fünften WM-Finale einer DFB-Mannschaft war Argentinien als 3:2- Sieger glücklicher.
4. Juli 1990 in Turin: 1:1 n.V. gegen England, 4:3 im Elfmeterschießen
Spielwitz, Tempo und höchster Einsatz: Die Elf von Franz Beckenbauer und England lieferten sich das vorweggenommene Endspiel. Mit einem abgefälschten Freistoß sorgte wiederum Brehme für die deutsche Führung, Gary Lineker glich aus. Nach torloser Verlängerung lachte den Deutschen das Elfmeterglück. Nachdem Brehme, Matthäus und Riedle sowie Lineker, Beardsley und Platt für die Briten getroffen hatten, hielt Illgner den Schuss von Pearce. Danach verwandelte Thon, der Ball von Waddle pfiff über das Tor. Im Finale von Rom gelang mit 1:0 die Revanche gegen Argentinien.
25. Juni 2002 in Seoul: 1:0 gegen Südkorea
Michael Ballack wurde in der koreanischen Hauptstadt zum tragischen Helden. Der Leverkusener schoss die deutsche Mannschaft mit seinem Siegtor gegen die Gastgeber (75. Minute) zum siebten Mal in ein WM-Finale, doch ausgerechnet dort musste er zuschauen. Wegen einer Grätsche im Mittelfeld hatte ihm der Schweizer Schiedsrichter in der zweiten Halbzeit der Partie gegen Südkorea die zweite Gelbe Karte im Turnier gezeigt. Ohne ihren Antreiber unterlag die Elf von Rudi Völler im Endspiel Brasilien mit 0:2.
4. Juli 2006 in Dortmund: 0:2 n.V. gegen Italien
Das Ende des «Sommermärchens»: Ohne den gesperrten Torsten Frings lieferte die Elf von Jürgen Klinsmann den «Azzurri» 118 Minuten lang einen Kampf auf Biegen und Brechen. Dann düpierte Andrea Pirlo die gesamte deutsche Abwehr mit seinem Pass, Fabio Grosso schlenzte den Ball unhaltbar für Jens Lehmann ins Netz. Geschockt kassierten die Gastgeber in der Nachspielzeit durch Alessandro del Piero noch ein Gegentor. Drei Tage später waren die Tränen wieder getrocknet: Mit 3:1 gegen Portugal gelang dem DFB-Team ein toller Turnierabschluss.