Steffi Jones: „Sind Sie der Obama des Frauenfußballs?“

Zum letzten Frauen-Pokalfinale in Berlin: WM-OK-Präsidentin Steffi Jones über Vorurteile gegen Kickerinnen, den US-Präsidenten und ihre Familie: „Ich hatte ja nie einen Vater."
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Steffi Jones, OK-Chefin für die Frauen-WM mit Franz Beckenbauer, dem OK-Boss der WM 2006.
Kunz/Augenklick Steffi Jones, OK-Chefin für die Frauen-WM mit Franz Beckenbauer, dem OK-Boss der WM 2006.

Zum letzten Frauen-Pokalfinale in Berlin: WM-OK-Präsidentin Steffi Jones über Vorurteile gegen Kickerinnen, den US-Präsidenten und ihre Familie: „Ich hatte ja nie einen Vater."

AZ: Frau Jones, am Samstag spielen die Frauen letztmals ihr Pokalfinale in Berlin, weil sie nicht mehr länger das Vorspiel für die Männer sein wollen. Ist der Auszug aus der Hauptstadt eine Abwertung des Frauenfußballs oder ist es die Emanzipation?

STEFFI JONES: Letzteres. Ich habe als Aktive ja auch vier Pokalsiege in Berlin feiern dürfen. Ist auch ein schönes Stadion, wenn es mit 75 000 Menschen voll ist. Nur waren bei uns am Nachmittag dann oft nur 5000 da, die nicht einmal uns anfeuerten, sondern schon auf das Männerfinale hinfieberten.

Es gibt ab Herbst auch eine eigene Champions League, vermutlich mit dem klangvollen FC Bayern als Deutscher Frauen-Meister.

Die Bayern haben klar gemacht, dass sie großen Wert legen auf ihre Frauen, dass das nicht nur so neben her läuft. Mir gefällt diese Entwicklung sehr gut. Die haben da ein professionelles Umfeld und bereichern die Bundesliga. Das macht den Frauen-Fußball nur noch attraktiver.

Aber gerade die Attraktivität geht dem Frauen-Fußball immer noch ab. Verkaufen sich die Frauen zu schlecht?

Ich denke schon, dass Frauen das Fußballspielen auf sehr attraktive Weise interpretieren. Wenn Sie mit mangelnder Attraktivität meinen, dass dem Frauen-Fußball so etwas wie die Star-Kultur fehlt, liegen Sie sicher nicht falsch. Das wird sich aber entwickeln. Die Bundeskanzlerin hat zuletzt ja ihren Wunsch geäußert, dass zur Frauen-WM 2011 jeder die Mannschaftsaufstellung der Frauen-Nationalmannschaft genauso aufsagen kann wie bei den Männern. Dazu gehört seitens der Spielerinnen natürlich auch die Bereitschaft, außerhalb des Spielfeldes für unseren Sport werben zu wollen.

Aber selbst die Weltfußballerin Birgit Prinz wirkt spröde und schroff. Täte dem Image Frauenfußball mehr Glamour, mehr Sex-Appeal gut, ein weiblicher Beckham?

Genau das finde ich ja das Schöne am Frauenfußball. Dass es bei uns über Erfolg geht und nicht um irgendwelche Intimitäten und Klatsch und Tratsch. Sicher können sich viele noch besser darstellen, unbestritten. Uns fehlen auch noch die großen Sponsoren, die die Protagonisten richtig pushen würden. Aber warten Sie die WM 2011 bei uns ab. Das wird einen gewaltigen Schub geben, und mit den alten Vorurteilen hoffentlich endgültig aufräumen.

Auch Sie hatten in Ihrer Karriere viel gegen Vorurteile zu kämpfen. Bei Ihnen ging es meist um die Hautfarbe.

Ich habe das oft erlebt, dass sie mich beschimpft haben. Rassistischen Äußerungen sah ich mich sogar schon in meiner jetzigen Rolle als OK-Präsidentin gegenüber. Umso wichtiger ist es, dagegen anzugehen und Zivil-Courage zu zeigen. In meiner aktiven Zeit wurde ich stets von der Mannschaft aufgefangen, fühlte mich also nie hilflos oder allein, da alle zu mir hielten. Meistens hat uns so ein Vorfall sogar zusätzlich motiviert.

DFB-Präsident nannte Sie „eine Symbolfigur für die integrative Kraft des Sports“, weil Sie Menschen anderer Hautfarbe Hoffnung geben, sich durchsetzen zu können. Sind Sie der Barack Obama des Frauenfußballs?

Also bitte. Ich finde ja schon den Vergleich mit Franz Beckenbauer ehrenhaft, aber dass Sie jetzt da mit Barack Obama daherkommen, ist nun wirklich zu weit hergeholt und nicht vergleichbar.

Sie sind ja auch Präsidentin.

Ja, aber anders. Ich bin doch nicht in so einer tragenden Rolle, ich bin stolz und geehrt, dass ich diese Funktion ausüben darf, aber so wichtig ist sie dann doch nicht.

Obama war Ihnen wichtig.

Und ob. Manchmal frage ich mich, ob das nur ein Traum ist. Aber es ist die Wirklichkeit, das macht mich glücklich. Ich hoffe, er kann seine Vorstellungen so umsetzen, wie er sich das wünscht. Aber die Erwartung ist hoch. Auf seinen Schultern lastet viel.

Denken Sie, Obama kam vier Jahre zu spät? Weil Ihr Bruder Franky dann nicht in den Irak-Krieg hätte ziehen müssen, um mit einem Auto auf eine Mine zu fahren und beide Beine zu verlieren?

Nein. Daran habe ich nie gedacht. Das ist nicht einmal Schicksal, das hätte auch woanders passieren können. Ich schaue nie zurück. Es ändert nichts, man muss mit der Situation einfach umgehen können. Nachzuhadern, das bringt nichts. Wichtig ist, dass Obama das, was er versprochen hat, den Truppenabzug aus dem Irak, konsequent durchzieht. Dass nicht noch mehr junge Männer das erleiden müssen, was meinem Bruder passierte.

Wie geht es ihm jetzt?

Gut. Wir telefonieren nicht jede Woche miteinander, aber es hat sicher die Familie noch enger zusammengebracht.

Sie und Ihren Vater auch, der Ihre Mutter verließ, als Sie drei Jahre alt waren, und in die USA zurückkehrte?

Nein. Ich habe ihn ja mal gesehen, als ich in den USA spielte. Das war 2002. Inzwischen gibt es keinen Kontakt mehr.

Wollen Sie ihn nicht sehen?

Doch. Ich weiß, dass er meinen Weg in all den Jahren verfolgt hat, und ich spüre, dass mir etwas fehlt. Ich hatte ja nie einen Vater. Ich möchte einfach nur wissen, wie er mich sieht, was er davon hält, was aus mir geworden ist. Vielleicht möchte ich auch hören, dass er stolz auf mich ist.

Interview: Florian Kinast

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