Spinne Schweinsteiger: Er zieht die Fäden
Der Bayern-Star selbst sagt, ihm fehle noch die „Handlungsschnelligkeit“, doch Bundestrainer Löw setzt auch im Halbfinale gegen Italien auf den Mittelfeld-Chef: „Wir brauchen ihn auf dem Platz“.
DANZIG - Nationalspieler zu sein, hat gewisse Vorzüge. Zum Beispiel, wenn man eine Privat-Vorführung eines Kinofilms bekommt, ein paar Tage vor dem offiziellen Start. Und so wurde am Dienstagabend im DFB-Mannschaftshotel „Dwor Oliwski“ die Comic-Verfilmung „The Amazing Spider-Man“ gezeigt. Eine nette Abwechslung am letzten Abend im Quartier vor dem Abflug am Mittwoch nach Warschau. Wirklich „amazing“, also erstaunlich, eher unglaublich, mutete für Bastian Schweinsteiger vor sechs Jahren die Entscheidung von Bundestrainer Jürgen Klinsmann an.
Beim WM-Halbfinale gegen Italien in Dortmund musste der Bayern-Star draußen bleiben. Tim Borowski spielte, Schweinsteiger kam erst nach 72 Minuten in die Partie. Nein, kein Witz. Sechs Jahre später undenkbar vor dem EM-Halbfinale am Donnerstag (20.45 Uhr, ARD live) in Warschau gegen Italien. Übersetzt man sämtliche Lobeshymnen, die alle Welt und am Dienstag noch einmal Bundestrainer Joachim Löw in Danzig auf den Vizekapitän niederprasseln ließen, ins Englische, wäre ständig von „amazing“ die Rede. „Bastian ist ein Spieler, der immer mitdenkt“, sagte Löw, „er ist unglaublich reif geworden.
Wir brauchen ihn auf dem Platz, er ist ein emotionaler Leader. Er ist mit seiner Ruhe am Ball, seiner Physis und seiner Präsenz auf dem Platz sehr wichtig für uns.“ Er ist der Mittelfeld-Organisator, auch wenn er diesmal etwas im Schatten des spektakulärer spielenden Sami Khedira von Real Madrid steht. Doch Schweinsteiger steht im Zentrum des Spiels, er zieht die Fäden, bei ihm laufen sie zusammen. Die Spinne, „Spider-Man“ eben, und „amazing“ sowieso. Passt genau ins Bild, was „Wikipedia“ über „Spiderman“ schreibt: „Auf der einen Seite ist er ein Superheld mit speziellen Fähigkeiten, andererseits hat er mit den Mühen und Problemen des Alltags zu kämpfen.“
Im Falle Schweinsteiger sind es leichte, für Fußballer alltägliche Probleme mit dem Sprunggelenk. „Ich fühle mich fit, um in der Startformation spielen zu können. Ich bin sehr heiß darauf“, sagte der 27-Jährige. Er konnte wieder trainieren und wisse ja, wie er mit der Situation umzugehen habe. „Es ist bewundernswert, wie er in dieser Saison die vielen Rückschläge weggesteckt hat“, betonte Löw. Auch dass Schweinsteiger selbst gesagt hat, ihm würde derzeit die „Handlungsschnelligkeit“ fehlen, sieht Löw nicht als Problem:
„Ich bin sicher, dass wir das hinbringen.“ Für den absoluten Höhe- und Endpunkt der Saison mit zwei Spielen an vier Tagen: Halbfinale, Finale. Ein Triumph am Sonntag in Kiew, der erste für Deutschland nach 16 Jahren, wäre für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (61) „eine Bestätigung für die kontinuierliche Arbeit des gesamten DFB“. Die Siegprämie in Höhe von 300000 Euro pro Spieler würde Niersbach sehr gerne auszahlen. „Jetzt den i-Punkt zu setzen, das wünschen wir uns alle. Die Zeit dafür ist reif, vielleicht sogar überreif.“