Spiel gegen Polen: Eine Frage des Müssens
Frankfurt - Mal etwas durchschnaufen, auch ein wenig durchhängen. Die Saison 2014/15 war für die deutsche Nationalmannschaft eine Übergangsspielzeit. Den WM-Triumph von Brasilien 2014 musste man erst einmal emotional verarbeiten, das war auch Bundestrainer Joachim Löw klar.
Man fiel in ein Loch, schmiss sich in die Hängematte der Tabelle D der Qualifikation zur EM 2016 in Frankreich. Dank der neuen Quali-Regelung (die ersten beiden sind sicher dabei, der Tabellendritte bestreitet Playoff-Spiele) hatte die DFB-Hängematte Netz und doppelten Boden. Doch nun sollen sie raus aus dem Relax-Modus, es wird ernst.
Das Jahr Nummer zwei nach der Rio-Krönung beginnt nicht mit einem lockeren Freundschaftsspiel, sondern mit dem härtesten Härtetest gegen Tabellenführer Polen in Frankfurt (Freitag, 20.45 Uhr, RTL live). „Eine Begegnung auf Augenhöhe. Polen ist Erster, wir sind Zweiter“, referierte Thomas Müller, „natürlich wollen wir vorbeiziehen, nach dem 0:2 im Hinspiel haben wir noch eine Rechnung offen. Wir werden an die Grenze gehen müssen.“ Er sagte: müssen. „Polen ist schon immer sehr gut. Sie haben Qualität“, meinte Kapitän Bastian Schweinsteiger, „wir wollen mit aller Macht gewinnen.“ Das werde zwar schwierig, meinte der Neuzugang von Manchester United, machte eine Pause und fügte hinzu: „Aber wir müssen!“ Müssen! Locker ist nicht mehr!
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Verzichten müssen die Deutschen bei der Operation „Aber wir müssen!“ wieder einmal auf Marco Reus. Der BVB-Profi musste wegen eines angebrochenen Endglieds der linken Großzehe das Quartier der DFB-Auswahl in Frankfurt verlassen und nach Dortmund zurückkehren. Das nächste Kapitel der unendlichen Leidensgeschichte des 26-Jährigen, der schon auf die WM in Brasilien hatte verzichten müssen. Der Grund: ein Syndesmose-Teilriss und Bandausriss am linken Sprunggelenk, erlitten am Tag vor dem Abflug. „Für uns und für Marco bedauerlich“, sagte Löw. Nun wird Reus’ bester Kumpel, Mario Götze, seinen Platz einnehmen. Löw versprach dem Bayern-Profi ebenso wie dem zuletzt angeschlagenen Spielmacher Mesut Özil („Er hat keinerlei Einschränkungen, Mesut wird spielen“) einen Startelf-Platz.
Der Jogi-Götze – der in der Nationalelf – ist ein ganz anderer als der Pep-Götze, der bei Bayern. Denn bei Löw spürt er uneingeschränktes Vertrauen. Schon vor dem Reus-Ausfall beschloss man beim DFB, den 23-Jährigen neben den Bundestrainer auf das Podium der Abschlusspressekonferenz zum Polen-Spiel zu setzen. „Mario wird auf jeden Fall beginnen“, bekräftigte Löw, „er ist ein Spieler von enorm hohem Wert für uns. Ich bin überzeugt, dass er zeigen will, was in ihm steckt.“ Und ob er das will. Nicht nur, weil er wohl auf ewig an seinem Wundertor aus dem WM-Finale gegen Argentinien gemessen werden wird. Stichwort: Segen und Fluch.
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Bei Bayern bleibt Götze in seinem dritten Jahr in München aktuell nur die Rolle als Ersatz für Mittelstürmer Robert Lewandowski (siehe Seite 26). Gönnt Guardiola dem Polen eine Pause von Beginn an wie beim 2:1 in Hoffenheim, darf Götze ran. Sonst heißt es: ab auf die Bank. Die ganze Sommertransfer-Periode über hatten sich Wechselgerüchte gehalten, konkret wurde: nichts. Auch weil Götze nach einem Gespräch mit Guardiola bereit war, trotz des Transfers von Flügelstürmer Douglas Costa um einen Stammplatz zu kämpfen. „Ich habe nie wirklich mit dem Gedanken gespielt, Bayern zu verlassen“, sagte Götze.
Dennoch lautet sein Status: Bei Bayern nur Bankdrücker, in der Nationalelf Hoffnungsträger. Einer, der über den Tellerrand Tagesgeschäft hinausdenkt: „Im Fußball geht alles immer sehr schnell. Vielleicht war der WM-Titel eine einmalige Geschichte – was ich aber nicht hoffe“, so Götze, „ich habe mein Spiel nicht verloren. Aber es gibt solche und solche Phasen. Man kann nicht immer auf dem besten Level spielen.“
Nicht immer, aber manchmal muss man.