Spätsommerblues: Die Baustellen des DFB-Teams im AZ-Check
Dortmund - Die Jahreszeiten im Fußball sortiert ein Trainer gänzlich anders als der Normalbürger. Und ein Nationaltrainer noch mal anders als ein Vereinscoach. Vor und nach der Sommerpause sind komplett andere Welten, insbesondere nach einer WM wie diesmal – mentale und geistige Nachwehen inklusive. Hinzu kommt die Vorbereitung.
Zum Start der EM-Qualifikation tat sich die gezwungenermaßen wild gemixte Elf von Bundestrainer Joachim Löw schwer, besiegte Schottland mit Mühe und Wille statt mit Glanz und Können 2:1. „Wir haben es versäumt, das 2:0 zu machen“, erklärte Löw und führte als weiteres Argument für den Einbruch in der zweiten Halbzeit an: „Der zweite Grund war, dass die Spieler, die bei der WM dabei waren, in der jetzigen Phase nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sind. Da haben Dynamik und Präsenz im Zweikampf ein bisschen nachgelassen. Aber das ist völlig normal.“
„Im Oktober werden die Spieler wieder frischer sein“
Und nun zur Jahreszeiten-Lehre. Löw: „Ich weiß, der August und September sind immer schwierig. Da bekommen die Spieler nach den anstrengenden Wochen der Vorbereitung oft einen kleinen Einbruch. Im Oktober werden die Spieler wieder frischer sein.“
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Wirklich? Trotz der nun so richtig beginnenden Terminhatz aufgrund der Champions League, die kommende Woche beginnt? In der Bundesliga steht Ende des Monats eine englische Woche an, im Pokal folgt Ende Oktober die zweite Runde. Und dazwischen muss die DFB-Elf in Polen (11. Oktober) und gegen Irland (14. 10.) in der EM-Qualifikation ran.
Der Spätsommerblues – ein von Löw einkalkulierter Riss in der Formkurve seiner Nationalspieler. Daher ist er auch „absolut zufrieden, dass wir die drei Punkte erreicht haben“. Löw ungewohnt demütig und bescheiden, schließlich ist er der Weltmeistertrainer: „Das war meine einzige Erwartung an die Mannschaft, dass wir dieses Spiel gewinnen und gut in diese Qualifikation starten.“ Operation gelungen, die Patienten müde. Geschafft. Augen zu – und durch.
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Dennoch hat die Partie gegen kampfeswütige, aber technisch-taktisch limitierte Schotten gezeigt, wo die Probleme des DFB-Teams im Herbst 2014 liegen. „Stillstand darf es nicht geben. Wir sind jetzt die Gejagten, aber wir wollen auch wieder jagen“, hatte Löw kürzlich angekündigt. Erstmal muss er seine Baustellen beheben. Eine AZ-Übersicht:
Die Außenverteidiger:
Gegen Schottland überraschte Löw mit der Aufstellung des Hoffenheimers Sebastian Rudy auf rechts, offenbar vertraut er Kevin Großkreutz nicht mehr. Der BVB-Vielseitigkeitskicker hatte gegen Argentinien (2:4) nicht gut ausgesehen. Rudy begann stark, glänzte als Torvorbereiter, hatte aber Schwächen in der Rückwärtsbewegung.
Und auf der linken Seite?Marcel Schmelzer, der Anfang Juni kurzfristig aus dem WM-Kader gestrichen wurde, scheint keine Chancen mehr bei Löw zu haben. Dagegen spielt sich Erik Durm, sein Dortmunder Teamkollege, fest. Fragt sich: Wie sehen seine Pläne perspektivisch auf den beiden Außenverteidiger-Positionen aus? „Mein Plan ist, dass ich in der Liga schaue, wer welche Form hat“, sagte Löw, „in den nächsten Monaten will ich das eine oder andere probieren auf den Positionen.“ Um am Ende doch wieder Boateng (rechts) und Höwedes (links) in die Viererkette zu stellen?
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Die Verletzten:
Mit Kapitän Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker sind drei Säulen der Mannschaft zurückgetreten. Doch immerhin begannen in Dortmund neun Weltmeister (von denen Durm allerdings nicht zum Einsatz kam). „Klar fehlen uns Spieler, die bei der WM eingespielt waren. Im Mittelfeld Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Mesut Özil, die für Stabilität gesorgt haben, hinten Mats Hummels. Wir müssen die nächsten Monate ein bisschen improvisieren. Khedira wird sicherlich bis Oktober nicht zurückkehren.“ Und nun ist auch das Comeback des erneut verletzten Dortmunders Marco Reus ungewiss.
„Es bereitet mir aber jetzt kein Kopfzerbrechen für die nächsten Länderspiele im Oktober und November, weil ich weiß, dass wir es schon hinkriegen, wenn es drauf ankommt.“ Da war es wieder, das Selbstverständnis eines Weltmeistertrainers.