So wirkt die Jogi-Mischung: Die AZ erklärt's

„Die Souveränität eines Franz Beckenbauer, die Akribie eines Berti Vogts und die Begeisterungsfähigkeit eines Jürgen Klinsmann“: Die AZ erklärt's. Das ist dran an Bundestrainer Joachim Löw.
CENTURION Man kann es so machen: Eine Spieler-Legende ohne Trainererfahrung berufen und hoffen, dass alles gut geht. Zum Beispiel Argentiniens Coach Diego Maradona. Man kann Routiniers aus dem Ausland verpflichten, siehe Fabio Capello in England oder Ottmar Hitzfeld bei den Schweizern. Oder Trainer, die bei vorherigen Turnieren mit anderen Nationen erfolgreich waren, etwa Lars Lagerbäck (Nigeria) oder Sven-Göran Eriksson (Elfenbeinküste).
Oder man hat Glück: Man hat Joachim Löw (50).
Ein Mann ohne glamouröse Kickerkarriere, aber auch ohne Skandale, Eitelkeiten, Macken. Einfach Jogi. Nach der WM 2006 wurde er von Klinsmanns Assistent zum Nationaltrainer befördert und ist längst aus dessen Schatten getreten. Löw begeistert mit seiner leichten, charmanten Art. Ein Mann, der in sich ruht, dem man anmerkt, wie zufrieden er mit sich, seinem Job und seinem Leben ist. Diese Ausgewogenheit, diese Souveränität überträgt er auf die Spieler.
Sein Berater Robert Eitel, der Löw seit 15 Jahren kennt, sieht in Löw die perfekte Mischung: Löw habe „die Souveränität eines Franz Beckenbauer, die Akribie eines Berti Vogts und die Begeisterungsfähigkeit eines Jürgen Klinsmann“. Und einen der höchsten Beliebtheitsgrade aller Bundestrainer. Die AZ erklärt Löw zum zweiten Vorrundenspiel am Freitag in Port Elizabeth (13.30 Uhr, ZDF und Sky live) gegen Serbien. Von Kopf bis Fuß.
Bauchgefühl ohne Bauch
Er hat keinen. Bauchgefühl ja, Bäuchlein nein. Löw hält sich auch während eines Turniers fit, achtet darauf, mindestens ein Mal pro Tag eine knappe Stunde laufen zu gehen oder sich auf den Ergometer zu setzen. Auch die Ernährung (Fisch! Gemüse!) ist ihm heilig, daher die fitte, durchtrainierte Figur. Mit 50 Jahren lassen sich andere Männer gehen, Löw nicht.
Löw ist ein Morgenmensch: Gleich nach dem Aufstehen ist für ihn „die Zeit der größten geistigen Frische“. Kombiniert mit seinem Bauchgefühl trifft er dann meist Entscheidungen. Er will sich aber nicht von einem simplen Gefühl leiten lassen, wägt zunächst alle Argumente ab. „Emotionen sind wichtig, sie dürfen einen aber nicht zu sehr leiten", sagt er.
Der Stil: gern körperbetont
Er ist durchaus auch eitel, bei seiner Kleiderwahl muss alles passen, alles sitzen. Löw trägt gerne körperbetonte Kleidung, immer lässig, eine Mischung aus sportlicher und klassischer Note. Mal im taillierten weißen Hemd wie bei Pressekonferenzen, mal im kuschelig-warmen blauen Babykaschmir-Pulli des DFB-Sponsors. Beim dritten Gruppenspiel im kühleren Johannesburg wird er vorführen, welchen aus seiner reichhaltigen Schal-Kollektion er eingepackt hat. Denn: „Ich bin empfindlich bei feuchtem, kühlem Wetter, bei Wind – da bekomme ich leicht Verspannungen.“ Bei der Schuhwahl bevorzugt er es klassisch-elegant, die Lederschnürschuhe müssen sitzen. So, wie der legere, jugendliche Pagenschnitt.
Kopf: Hier herrscht Klarheit
Löw bezeichnet sich selbst als einen Perfektionisten, er möchte „das gute Gefühl haben, in der Vorbereitung auf ein Spiel alles getan zu haben“. Er hat eine klare Vorstellung von dem, was er umsetzen möchte – erst geht er die Strategie für sich durch, danach weiht er seinen Trainerstab ein. Von allen Seiten bestätigt wird sein respektvoller Umgang mit allen Mitarbeitern.
Immer eine klare, nachvollziehbare Linie zu haben, ist ihm wichtig. So wich er auch in den Fällen Frings, Kuranyi (beide ausgemustert) oder Klose und Podolski (von der Öffentlichkeit kritisiert) nicht von seiner Linie ab. „Transparenz und Glaubwürdigkeit sind wichtige Werte für mich“, sagte er. Seinen Kopf entspannt er nach einem Arbeitstag mit TV-Zappen.
Gutes Herz
Ihm fällt es extrem schwer, einem Spieler (wie vor der WM Andreas Beck) sagen zu müssen, dass er nicht im Aufgebot sein, oder, wie im Fall Trochowski, dass er nicht in der Startelf gegen Australien steht, „Das sind die unangenehmen Momente des Trainerjobs“, sagt Löw.
Vertrauen ist ein wichtiger Faktor bei seiner Auffassung von Teambuilding. „Der Bundestrainer versteht mich", sagte etwa Lukas Podolski nach dem Auftaktspiel, „ich fühle mich einfach wohl bei ihm. Er vertraut mir.“ Löw geht in seiner Aufgabe mit all den jungen Spielern auf, sie sind ihm ans Herz gewachsen. Seine Frau Daniela ist seine unauffällige Stütze in der Heimat Freiburg, sie bleibt stets im Hintergrund, soll erst nach der Vorrunde einfliegen. „Wir müssen es uns verdienen, unsere Frauen zu sehen.“
Die Zukunft: Er hat die Wahl
Noch prangt auf der Brust das DFB-Logo mit den drei Sternen. Löws Zukungt ist offen. Durch seine Art, sein Auftreten, seine Fachkenntnis und seine Erfolge werden sich die Anfragen von Großklubs oder anderen Nationen am Ende dieser WM stapeln. Der DFB in Person von Präsident Theo Zwanziger warb öffentlich - es war beinahe ein medialer Kniefall - um Löw, der seinen Vertrag doch verlängern solle. „Der DFB weiß, was er an Joachim Löw und seinem Team hat“, betonte Zwanziger. Und was hat Löw? Zeit. Und alles in seiner Hand. Insider vermuten, dass ihm die Nationalspieler derart am Herzen liegen, dass er dafür den Zwist mit den Verbandsbossen würde vergessen können. Alle Vertragsgespräche hat er aufgeschoben.
Patrick Strasser