So viel Franz steckt in Jogi
Deutschlands letzter Weltmeister-Trainer im Vergleich mit dem (hoffentlich) nächsten.
CENTURION Den ersten Joker hatte Joachim Löw ja schon lange vor Beginn dieser WM gezogen, letztes Jahr. Als man sich überlegte, welches Quartier man als eines der Trainingslager für die Vorbereitung auf die Endrunde nimmt, fiel die Wahl auf das Hotel „Weinegg“ am Kalterer See in Südtirol. Exakt dort hatten sich einst die Männer von Teamchef Franz Beckenbauer 1990 vor der WM in Italien auf das Turnier vorbereitet - der Weltpokal war das Souvenir, das sie am Ende mit nach Deutschland brachten.
20 Jahre später möchte Löw den vierten WM-Titel mit dem DFB-Team gewinnen. Südtirol stand unter keinem guten Stern, dort verletzten sich Heiko Westermann und Christian Träsch und mussten absagen. „Wir haben all die negativen Erlebnisse abgeschüttelt und nach einem kurzen Schockmoment uns immer gesagt: ,wir müssen nach vorne schauen'. Nur so geht es“, sagte Löw am Mittwoch im Teamhotel „Velmor Grande“. Diese Unbeirrbarkeit, diese Positive ohne sich von den Ereignissen beeindrucken und vom Ziel abbringen zu lassen, das haben Löw und Beckenbauer gemeinsam.
Wie so vieles - was man sich auf den ersten Blick wohl nicht recht vorstellen kann. Die AZ macht den Check einen Tag vor WM-Beginn: Wie viel Franz steckt in Jogi?
Der Kader: 1990 war Beckenbauers Assistent Holger Osieck, diesmal übernimmt der ebenso loyale wie zuverlässige Zuarbeiter Hansi Flick den Job. Andreas Köpke, vor 20 Jahren die Nummer drei der Keeper-Rangliste, gibt nun den Sepp Maier, den Torwart-Coach. Noch immer dabei aus dem Stab von 1990: Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt, Physiotherapeut Klaus Eder, Schuh-Experte Manfred Drexler und Busfahrer Wolfgang Hochfellner.
Die Akribie: Beckenbauer, man mag es kaum glauben, war als Trainer ein Workaholic, vertiefte sich für Stunden in Dokumente und Videos - ähnlich Löw, der aber hat nun mit Urs Siegenthaler einen Scout zur Unterstützung. Doch auch Löw plant alles absolut bis ins kleinste Detail, sagte: „Nur dann habe ich ein gutes Gefühl, ich will mir nichts vormerken lassen.“
Die Lässigkeit: Beckenbauer versteckte seine teils cholerischen Momente oft hinter dem Spruch „Schaun mer mal“ oder „Wird scho' wer'n, sagt Frau Kern“. Löw ist seit seinem Jobantritt 2006 von Woche zu Woche, von Länderspiel zu Länderspiel cooler und entspannter geworden, steckt sich im Kabinengang gerne auch mal eine Zigarette an. Auch in Sachen Klamotten hat Löw als Klinsmanns Assistent 1990 den Takt angegeben, sein weißes, körperbetontes Hemd wurde Kult.
Das Weltmännische: Hat Löw auch drauf. In internationalen Presserunden spricht er passables Englisch, mit leichtem Badenser-Dialekt. Etwas Nachholbedarf hat er noch in Sachen Global-Player. Das darf schon sein, schließlich ist Beckenbauer „der Franz“. Und das worldwide. ps