So feiern die Schotten in München vor dem EM-Auftakt – die ganze Stadt ein Pub: "Egal, ob wir verlieren"

Kilt, Bier, Trikot - jede Münchner Bar ist in den kommenden Tagen in schottischer Hand. Egal wie das Spiel ausgeht, gefeiert wird sicher
von  Maximilian Neumair
Thomas Patterson (4. von links) und Colin O'Hara (5. von links) feiern mit ihren Freunden im Irish Pub Kennedy's Bar und Restaurant. Sie begleiten die schottische Fußballnationalmannschaft bei all ihren Spielen bei der Europameisterschaft. Foto: privat
Thomas Patterson (4. von links) und Colin O'Hara (5. von links) feiern mit ihren Freunden im Irish Pub Kennedy's Bar und Restaurant. Sie begleiten die schottische Fußballnationalmannschaft bei all ihren Spielen bei der Europameisterschaft. Foto: privat © abz

München - Schottland hat Deutschland 3:0 abgeschossen - zumindest fühlt sich die Party der Fans von der Insel ganz danach an. In einem Irish Pub in der Innenstadt werden schottische Lieder gesungen, stolz die mitgebrachten Banner des Landes und der Bravehearts (der Spitzname der Fußballnationalmannschaft) in die Höhe gehalten und reichlich Bier getrunken. So dürfte es in den kommenden Tagen in jedem Lokal der Stadt zugehen. Vom Marienplatz bis zum Sendlinger Tor tummeln sich Männer in Kilts und tragen tiefblaue Trikots mit einem roten Löwen auf gelben Grund. Beim Singen und Sprechen wird das R gerollt. Die Schotten haben München besetzt: Zwischen 15.000 und 20.000 Fans sollen für das Spiel nach München kommen - dabei haben viele nicht einmal ein Ticket.

"Es ist egal, ob wir verlieren - wir machen Party!", sagt ein Fan

Den 55-jährigen Gary Inglis hält das nicht auf. "Ich bin hier um Spaß zu haben und zu feiern!", sagt er und legt seinen Arm um den AZ-Redakteur. Er trägt ein Kilt, hat seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und türkis gefärbt. Schon jetzt ist er begeistert von München: Das Wetter sei schön und die Pubs öffneten früh. Inglis folgt der schottischen Nationalmannschaft zu so vielen Spielen wie möglich. So wie der 60-jährige Thomas Patterson. Auch er trägt einen Kilt, hat einen Glengarry-Hut mit Ansteckern von besuchten Fußballspielen auf und ein alkoholfreies Bier in der Hand. Patterson zeigt auf seinen Sohn und erzählt stolz: "Er ist 24 Jahre alt und hat Schottland noch nie bei einem großen Turnier erlebt!"

Gary Inglis ist in Feierlaune. Er reist dem Team so oft es geht hinterher. Foto: privat
Gary Inglis ist in Feierlaune. Er reist dem Team so oft es geht hinterher. Foto: privat © abz

Für viele der im Pub feiernden Schotten ist dieses Turnier etwas Besonderes. Es ist das erste Mal seit 1998, dass sie sich für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifizieren - das Covid-Turnier 2021 ausgeklammert. Patterson und seine Freundesgruppe folgen den Bravehearts für die nächsten zwei Wochen quer durch Deutschland: Von München über Köln nach Stuttgart - so wie die meisten schottischen Fans, die mit der AZ sprechen. Die Reise nach München erfolgte mit dem Flieger. Weiter geht es mit Zug und Bus. Mit im Gepäck: gute Stimmung. "Es ist mir sowas von egal, ob wir gewinnen oder verlieren - wir machen Party!", sagt der 60-jährige Schotte. Sein Kollege Colin O'Hara (55) sieht das genauso: "Wir möchten, dass Deutschland uns als die feiernden Schotten in Erinnerung behält." Weiter sagt er: "Ich schätze die deutsche Kultur sehr. Das Bier und die Currywurst sind so gut und die Frauen fantastisch."

Bayerisches Bier - besser als das schottische?

Über das Bier schwärmen die Schotten noch viel an diesem Abend. Der 20-jährige Lewis Stuart sagt sogar, es sei besser als das schottische - ob die Wahrheit oder das Helle aus ihm spricht, ist von außen nur schwer zu beurteilen. Mitten im Gespräch wird von Fans am nächsten Tisch ein schottisches Lied angestimmt - wenige Sekunden später singt der ganze Pub inbrünstig mit. So geht das den ganzen Abend.

Eine der wenigen Frauen: Fiona Stephen. Foto: privat
Eine der wenigen Frauen: Fiona Stephen. Foto: privat © abz

Die Fans posieren vor der schottischen Nationalflagge, fallen sich in die Arme, klopfen sich auf die Rücken und hinterlassen dem AZ-Redakteur auf seinem Notizzettel Stoff zum Nachdenken: Einer schreibt "Toffee Biscuits" auf - eine Kekssorte aus Schottland. Eine Erklärung gibt es nicht, aber vermutlich ist es eine freundliche Empfehlung. Für Patterson und seine Freunde ist die Reise nach Deutschland ein Männertrip. So ist es für die meisten Fangruppen. Die große Ausnahme: die Stephens, die mit ihren Frauen da sind. Allerdings konnten diese keine Tickets mehr bekommen. Scherzhaft fragt Fiona Stephen (65) deshalb den AZ-Redakteur, ob er noch eins übrig hat, in der Hoffnung, auf den letzten Metern doch noch ins Stadion gehen zu können. Noch weiß sie nicht, wo sie das Match schauen wird. Wahrscheinlich in einem Pub, weit weg von Engländern, sagt sie. Bislang gefällt den Stephens an München am meisten die Architektur - sie kommen aus der Baubranche - und wie sehr sie willkommen geheißen werden.

Schon zur Mittagszeit feiern die Schotten

Colin Richardson (l.) und Johnny Thompson im Hofbräuhaus. Foto: Maximilian Neumair
Colin Richardson (l.) und Johnny Thompson im Hofbräuhaus. Foto: Maximilian Neumair © Maximilian Neumair

Darüber freuen sich auch die Schotten, die sich am Donnerstagmittag im Hofbräuhaus in Stimmung trinken. An vielen der Tische sitzen Gruppen in Uniform - also Kilt und Trikot, aber mit einer Maß Bier statt einem Pint in der Hand. Und Stubenmusik, die anstelle von Dudelsackklängen im Hintergrund läuft. Eine großflächig verschmutzte Altstadt wie beim Celtic-Bayern-Spiel im Jahr 2017 erwartet das britische Generalkonsulat in München nicht. Bislang berichtet die Polizei nur von kleineren Zwischenfällen, etwa von randalierenden Schotten im Restaurant Spöckmeier oder im Wildmosers am Marienplatz. Für sowas sollte es eigentlich keinen Anlass geben, wenn es nach den Schotten geht: Die meisten tippen auf ein Unentschieden, manche sogar auf einen Sieg..

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