Servus, König von Rio! Weltmeister-Trainer Joachim Löw gebührend verabschiedet

Wolfsburg – Kurz und knackig war sie, die Ehrung und Verabschiedung von Ex-Bundestrainer Joachim Löw in Wolfsburg. Für feuchte Augen und Emotionen reichte es dennoch beim 61-Jährigen vor dem Anstoß des WM-Qualifikationsspiels gegen Liechtenstein (9:0).
Die 26 000 Fans in der ausverkauften VfL-Arena feierten den Weltmeister-Trainer von 2014 mit "Jo-gi! Jo-gi!"-Sprechchören, in einer Kurve stand auf einem Spruchband Schwarz auf Weiß: "Herberger, Schön, Beckenbauer, Löw – mit högschder Disziplin zum Weltmeistertrainer. Wir sagen DANKE!"
Noch emotionaler aber war für Löw, den König von Rio, dass zahlreiche Weggefährten aus seinen 15 Amtsjahren nach Niedersachsen gekommen waren. Benedikt Höwedes, der das Teammanagement der Nationalelf derzeit als Trainee unterstützt, organisierte die kleine Zeremonie im Stadion und den internen Abend im Ritz-Carlton Hotel in Wolfsburg.

Lahm, Schweinsteiger und Kramer fehlen
Es standen Spalier für ihren ehemaligen Chef: Zurückgetretene wie Sami Khedira, Per Mertesacker oder Miroslav Klose sowie Noch-Aktive wie Lukas Podolski, Julian Draxler (der wegen einer Verletzung auf einen Einsatz verzichten musste) sowie Mats Hummels im herbst-farbenfrohen Mantel. Auch der langjährige Stürmer Mario Gomez, allerdings nicht im Weltmeister-Kader von 2014, war dabei. Mit Manuel Neuer, Thomas Müller und Matthias Ginter (eingewechselt) standen drei Champions auf dem Platz. Macht zehn – von den 23 des damaligen Kaders. Hm.
Doch: Wo war Philipp Lahm, der Kapitän der Helden von Rio, der Organisationschef der Heim-EM 2024? Auch Löw-Vertraute und Größen wie Bastian Schweinsteiger oder Christoph Kramer waren nicht vor Ort. Jérôme Boateng (Verspätung bei der Anreise) war da, aber nur im VIP-Raum. Der Siegtorschütze von Rio, Mario Götze (PSV Eindhoven), fehlte entschuldigt – aus privaten Gründen. Mesut Özil, 2018 im Streit mit dem DFB zurückgetreten, fehlte unentschuldigt – aus bekannten Gründen.
"Jahrhundert-Trainer": Löwe erhält Collage
Löw drückte und herzte jeden, natürlich auch Oliver Bierhoff, der mit Löw 2004 beim DFB als Sportdirektor angeheuert hatte. Man wollte Löw „einen gebührenden Abschied bereiten“, sagte der DFB-Direktor vorher. Doch Weltverband Fifa genehmigte wohl nur diese fünf Minuten vor Anpfiff – und so fiel die Sache etwas dünn aus.
Auf der Collage, die Löw überreicht wurde, stand: "Jahrhundert-Trainer". 198 Länderspiele, 124 Siege und zwei Titel: der goldene WM-Pokal nach dem Finaltriumph 2014 gegen Argentinien (1:0 n.V.) und der Confed-Cup 2017 in Russland mit einer Perspektivtruppe. Dem gegenüber steht das historisch schlechte WM-Vorrunden-Aus ein Jahr später und das abrupte Ende der EM in diesem Sommer.
Löw kann sich Comeback auf der Trainerbank vorstellen
"Es war nicht immer ganz so einfach, weil ich nach so vielen Jahren und der langen Reise Abstand gewinnen und einiges verarbeiten musste. Das letzte Turnier war für uns alle enttäuschend, aber jetzt geht es mir wieder gut und ich freue mich auf Fußball", sagte Löw bei RTL. Ein Comeback auf der Trainerbank könne er sich vorstellen: "Die Lust und die Motivation kommen allmählich zurück."
Bereits um 20.25 Uhr, rund 20 Minuten vor Anpfiff, war – so die Ansage der Stadionsprecher – das "Team hinter dem Team" von Löw verabschiedet und für ihre Verdienste geehrt worden. Bierhoff, DFB-Interimspräsident Peter Peters und Heike Ullrich, die stellvertretende DFB-Generalsekretärin, überreichten ebenfalls gerahmte Collagen an: den früheren Bundestorwart-Trainer Andreas Köpke, Löws Ex-Assistent Thomas Schneider, Chefscout Urs Siegenthaler und DFB-Arzt Sepp Schmitt. Als sie einzeln aufgerufen wurden, verneigte sich Bierhoff demonstrativ.
Am späten Donnerstagabend wollte Löw mit seinem früheren Assistenten Hansi Flick ("Der Anruf von ihm hat mein Leben verändert. Er ist als Mensch außergewöhnlich, ich habe mir viel abschauen können") eine Flasche Rotwein öffnen und anstoßen.
Auf seine Ära und Flicks sechsten Erfolg im sechsten Länderspiel, der damit den Startrekord seines Vorgängers übertraf.