Seeler: „Einmal ist immer das erste Mal“

Es war sein 20. WM-Spiel, und es sollte auch sein letztes werden. Heute spricht Uwe Seeler nicht mehr so gern über diesen 17. Juni 1970. Vor 102<TH>400 Zuschauern führte er als Kapitän die DFB-Elf ins Azteken-Stadion von Mexiko-City, zum Halbfinale gegen Italien. Es sollte als „Jahrhundertspiel“ in die Analen eingehen. Deutschland verlor 3:4 nach Verlängerung, doch Seelers Frust richtet sich eher gegen einen Peruaner namens Arturo Maximo Yamasaki. „Sie wissen ja, wer damals gepfiffen hat“, sagt der 75-jährige Ehrenspielführer, „aber wenn der nicht so gepfiffen hätte, wäre es nicht dieses legendäre Spiel geworden.“
Uwe Seeler hat viel erreicht: Als erster Sportler wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz überreicht, er war der erste Torschützenkönig der Bundesliga – nur einen internationalen Titel hat er nie gewonnen. In seinen Memoiren („Danke, Fußball“) schrieb er 2003: „Wir merkten, dass der Schiedsrichter Yamasaki ganz auf Seiten der Italiener stand. In der 67. Minute wurde Beckenbauer von Pierluigi Cera gefoult. Ein klarer Elfmeter, waren sich die Zuschauer einig! Aber Schiedsrichter Arturo Yamasaki hatte das Foul außerhalb des Strafraums gesehen.“ Heute sagt Seeler: „Das ist lange her. Die Zeiten haben sich geändert, das kann man nicht vergleichen. Das ist jetzt ein neues, ein anderes Spiel, wie man bei dieser EM festgestellt hat. Die Italiener spielen völlig anders als sonst, so wie man das gar nicht erwartet hat.“
Schon die erste Partie gegen Spanien habe alle überrascht: „So stark haben wir uns die Italiener nicht vorgestellt. Die hatten ja zuletzt einige Probleme.“ Obwohl England mit zwei Viererketten hintendrin stand und nur verteidigt habe, habe man gesehen, „dass die Italiener vorne nicht gerade so durchschlagskräftig sind“, sagt Seeler. Italien sei immer ein schwerer Gegner und gegen England hätte man es „ein bisschen einfacher“ gehabt: „Aber unsere Mannschaft ist so gut, homogen, erfolgreich und selbstbewusst, dass sie das gegen Italien schafft. Ich bin sehr optimistisch, weil die Mannschaft will. Die will was erreichen, die will Titel. Sie ist stark, hat unheimlich viele Möglichkeiten, auch noch auf der Bank. Das ist selten, dass man so viele gute Spieler hat, die der Mannschaft in jeder Situation helfen können.“
Auch im Angriff, wo sich der einst weltbeste Mittelstürmer gut auskennt, „sind wir sehr stark“, glaubt Seeler. Die Frage „Gomez oder Klose?“ drückt ihn nicht: „Ich finde das toll. Besser einen mehr als einen zu wenig haben. Wir haben zwei Klasse-Mittelstürmer und noch ein paar gute auf der Bank. Das ist es, was mich optimistisch macht, dass wir auch in der Schnelligkeit erfolgreich spielen können.“ Wer vorne spielt? „Der Jogi Löw weiß, was er tut“, sagt Seeler, „er hat immer noch alle Möglichkeiten, wenn er sehen sollte, dass das ein oder andere nicht klappt. Dann kann er noch reagieren. Ich glaube, dass er das Richtige macht.“
Am Mittwoch wird Seeler nach Warschau fliegen, zum Halbfinale gegen Italia. Dass noch kein DFB-Team bei einer EM oder WM gegen die Azzurri gewonnen hat, schreckt ihn nicht: „Einmal ist immer das erste Mal. Ich glaube, dass die Mannschaft diesen unbedingten Willen hat und auch die Klasse. Ich weiß, dass sie dieses Spiel besonders ernst nimmt. Ich traue ihr zu, dass sie dieses Spiel gewinnt – und dann fahren wir nach Kiew.“ Zum Finale.