Sechzig, Türkgücü und Co.: Die Spielbälle der Millionäre

In der Dritten Liga tummeln sich viele Investoren – nicht immer zum Vorteil für die Klubs. Uerdingen droht nun der Absturz, bei den Löwen hat man sich endlich zusammengerauft. Eine AZ-Analyse
von  Matthias Eicher
Sechzigs Hasan Ismaik
Sechzigs Hasan Ismaik © Rauchensteiner/Augenklick

München - Michail Ponomarev. Hasan Kivran. Hasan Ismaik. Erfolgreiche Investoren oder Trio infernale? Zuletzt rührte sich bei allen drei fremdgesteuerten Drittliga-Klubs etwas - vom deutlichen Fan-Statement bis zum gewaltigen Beben.

"Der KFC ist kein attraktives Investment. Was haben wir schon? Eine Drittliga-Lizenz. Das ist alles", klagte der russische Oligarch Ponomarev am Dienstag bei einer Info-Veranstaltung über "seinen" KFC Uerdingen. Bald wird er sich von seinem Spielzeug trennen. Insolvenzklub 1. FC Kaiserslautern und der abgewanderte Flavio Becca lassen grüßen.

Uerdingens Geldgeber Michail Ponomarev (l.)
Uerdingens Geldgeber Michail Ponomarev (l.) © imago images/Brauer-Fotoagentur

Beim KFC Uerdingen gehen die Lichter aus

Beim Aufsteiger SV Türkgücü ist der Aufruhr nach dem angekündigten und doch wieder revidierten Rückzug seines Geldgebers groß.

Ismaik begeht derweil mit Traditionsverein TSV 1860 demnächst sein zehnjähriges Jubiläum. So lukrativ der Sprung in die Zweite Liga wäre, die "Pleiteliga" drei zwingt sie alle zum Überlebenskampf. Die AZ zeigt, wie es bei den drittklassigen Investorenklubs läuft.

Uerdingen galt lange Zeit als erfolgreicher Verein. Jetzt gehen wohl die Lichter aus. 2016 hatte Ponomarev übernommen, der KFC war aus der Oberliga bis in die Drittklassigkeit marschiert. Und dann? Stagnation. Anfang Dezember hat Ponomarev seinen Ausstieg zum Saisonende bekanntgegeben, nun ist er auch als Präsident Geschichte. Armenische Geschäftsleute, angeblich an einem Anteilsverkauf interessiert, scheinen sich wieder zurückgezogen zu haben.

Kivran fehlte bei Türkgücü die Perspektive

Die Probleme des KFC, als Zehnter im Mittelmaß versunken: Kein Stadion, kein modernes Trainingsgelände - keine Perspektive. Ponomarev schonungslos: "Unsere Kostenstruktur sieht so aus, dass wir keinerlei Geldzufluss von außerhalb haben." Fazit, sollte bis zum fälligen Lizenzantrag am 1. März nicht noch ein Wunder geschehen: Projekt gescheitert.

Der erste Migrantenverein im deutschen Profifußball, seit 2016 und dem Einstieg Kivrans eine Erfolgsgeschichte, will den Durchmarsch aus der Landesliga fortsetzen. Auch, wenn Trainer Alexander Schmidt tiefstapelt, schielt Türkgücü von Rang acht (27 Punkte, ein Nachholspiel) nach oben. Umso überraschender das angekündigte Aus Kivrans kurz vor Weihnachten: Dem Finanzier habe die Perspektive gefehlt.

Türkgücüs Hasan Kivran.
Türkgücüs Hasan Kivran. © imago images/Lackovic

"Man sieht, dass wir sportlich gut dabei sind. Jetzt wollen wir nachhaltig agieren und unsere Heimat in München finden", sagte Geschäftsführer Max Kothny am Mittwoch. Das Problem: Die semi-professionelle Bezirkssportanlage in der Heinrich-Wieland-Straße.

Ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum muss her, für den Aufstieg zumindest der Status "NLZ im Aufbau". Doch die Verhandlungen mit der Stadt gestalten sich zäh. "Bayern und 1860 konnte auch über Erbpacht Grundstücke beziehen", so Kothny, "von daher können wir auch einen Anspruch an die Stadt stellen."

Waldhof Mannheim und Hansa Rostock als positive Beispiele

Die Zukunft des Klubs ist eng verknüpft mit der Frage, ob Türkgücü die gewünschte eigene Heimat und damit eine Perspektive findet. Das Image des Klubs hat gelitten durch das Kivran-Beben, das zeigt, wovor Kritiker des Investorenmodells warnen: Türkgücü ist Kivrans Spielball.

Glückwunsch, Sechzig: Den Titel "chaotischster Investorenklub" haben 1860 und Investor Ismaik abgetreten, aktuell wohl an Uerdingen. Ismaik begeht sein zehntes Jahr als Hauptgesellschafter, von Erfolg lässt sich eine Liga tiefer als 2011, mit geschätzt 80 investierten Millionen und ohne eigenes Stadion nicht sprechen. Aber: Die Giesinger Gesellschafter haben sich zusammengerauft. Trainer Michael Köllner, Geschäftsführer Marc Pfeifer, die eigene Fan-Power, nicht zuletzt der aktuelle Erfolg mit Relegationsrang drei und realistischen Aufstiegschancen - all das rückt 1860 in ein positives Licht. Damit 1860 nicht noch mehr zum Spielzeug wird, stellten die Ultras "Münchner Löwen" am Mittwoch dennoch klar: "Vereine den Mitgliedern! Fußball gehört den Fans! 50+1 muss bleiben!"

Es geht aber auch noch besser, respektive leiser: Das beweisen Klubs wie Waldhof Mannheim mit Investor und Präsident Bernd Beetz - und vor allem Hansa Rostock: Dort setzt Geldgeber Rolf Elgeti auf "organisches Wachstum", denn: "Lieber in kleinen Schritten weiter nach vorne als schnell laufen und stolpern und dann auf einem Riesenscherbenhaufen sitzen."

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