Schweinsteiger nervt die Anführer-Debatte
Frankfurt - Mehr Wetterschutz hält der Ausrüster der Nationalmannschaft gar nicht bereit, als Bastian Schweinsteiger trug: eine Strumpfhose unter den Shorts, eine Mütze, einen wärmenden Schal und schließlich noch schwarze Handschuhe hatte sich der Bayern-Star vom Zeugwart Thomas Mai geben lassen.
Dabei hatte den Frankfurter Stadtwald gar nicht der nächste Wintereinbruch heimgesucht, sondern an diesem kühlen Mittwochmorgen regnete es lediglich unaufhörlich. Der Anführer allerdings bewegte sich auf dem Naturrasen vor der Arena so dick vermummt wie kein anderer der Kollegen.
Bald brach allerdings lautes Gejohle los, als zwei Fraktionen mit sorgsam getrennten Bayern- und Dortmund-Spielern gegeneinander eine Art Handball spielten. Was wie Spaß aussah, sollte indes den Ernstfall simulieren, wie Schweinsteiger vor dem morgigen WM-Qualifikationsspiel in Kasachstan (19 Uhr live im ZDF) zu berichten wusste. „Die stehen auch hinten drin wie eine Handballmannschaft – deshalb haben wir auch die Handballübung gemacht”, sagte er.
Bei dieser Aussage in der DFB-Zentrale im Frankfurter Stadtwald saß der Scheitel längst wieder frisch frisiert, der 28-Jährige hatte einen Becher Kaffee mitgebracht, doch keine entspannte Haltung. Beinahe unwirsch reagierte er, der wohl am Freitag in Astana und Dienstag in Nürnberg seine Länderspiele 98 und 99 bestreitet, auf die Frage nach einer Führungsrolle im DFB-Team. Erst eine Gegenfrage, dann ein Einwand, „nicht jeden zufriedenstellen zu können” – so lautete seine Replik. Unlängst hatte Schweinsteiger im AZ-Interview schon erklärt, „dass mir Image, Anerkennung und Respekt nicht so wichtig im Leben sind. Mir ist lieber, Erfolg zu haben, als groß geliebt zu werden.” Und auch wenn er keinen großen Titel in seiner Karriere hole, „dann würde ich auch nicht früher sterben”.
Bei der vergangenen EM klappte es auch deshalb nicht mit einer Krönung, weil der Motor des deutschen Spiels nur schwergängig lief: Schuld war ein nicht optimal verheilter Außenbandriss. Deren Spätfolgen hatten Spieler und Trainer schlussendlich unterschätzt. „Für mich persönlich ist es wichtig, richtig fit zu sein. Damals hatte ich fast vier Monate gefehlt, das war nicht so einfach”, erklärte Schweinsteiger. „Heute weiß ich, dass ich mein Topniveau erreiche, wenn ich gesund bin.”
Das sieht auch Joachim Löw so. „Bastian hat seine Form gefunden. Er ist wieder in der Verfassung, eine Mannschaft wie die Bayern anzutreiben, ihr Leader zu sein”, sagte der Bundestrainer. Schweinsteiger hat allerdings seit August 2011 kein Freundschaftsspiel mehr mitgemacht: Selbst zweimal gegen Frankreich, gegen Argentinien oder in Holland fehlte er, meist wegen leichter Blessuren. Dass zuletzt Dortmunds Ilkay Gündogan und Sami Khedira ein beinahe perfektes Mittelfeld-Doppel abgaben, hat Schweinsteiger registriert.
Aber er mag Experten und Kommentatoren bis heute nicht verzeihen, dass sie ihn kurzerhand für überflüssig erklärten. Noch immer sieht er sich als Herz und Hirn der Mannschaft: „Ich habe einige Länderspiele auf dem Buckel. Und irgendwann kommen auch die 100, darauf bin ich auch stolz. Ich weiß schon, was hier verlangt wird.” Gegen Kasachstan sechs Punkte aus zwei Spielen, „alles andere ist nicht wichtig”.