Schweinsteiger: Aus der zweiten Reihe

Klar, Ballack (32) ist Kapitän und Boss im DFB-Team. Aber wer kommt danach? Gerade entsteht eine neue Hierarchie. Vor allem die Bayern sind daran beteiligt.
CARDIFF Für Michael Ballack interessierten sich die Angestellten am Cardiff International Airport. Den kennt man hier aus der Premier League, vom FC Chelsea. Ein Autogramm, please! Ach ja, und da ist „Hitz the Hammer". Sieht noch aus wie früher, dieser Thomas Hitzlsperger, der einst als Teenager zu Aston Villa auf die Insel kam. Lahm wurde bei der Ankunft in Wales vor dem WM-Qualifikationsspiel (20.45 Uhr, ARD live) erkannt, Schweinsteiger auch, nach Klose wurde gefragt. Und wo ist Jens Lehmann? Zurückgetreten, aha. Und wer ist nun die Nr. 1 im deutschen Tor? Robert Enke. Nie gehört.
Ende. Das war's dann auch schon. Im Kader für die WM-Qualifikation stehen in Ballack und Reservist Andreas Hinkel (Celtic Glasgow) nur zwei Legionäre. Die Basis – Talente wie Beck, Tasci, Marin – ist vorhanden. Doch neben Boss Ballack bildet sich erst jetzt ein Unterbau, die Hierarchie formt sich allmählich.
„Es ist doch ganz normal, dass irgendwann jüngere Spieler nachwachsen. In anderen Berufszweigen gibt es doch viel größere Lücken zwischen jung und alt", sagte Ballack der „SZ“ und stellte klar: „Ich bin doch auch noch jung. Mit 32 Jahren bin ich ja noch einer der jüngsten Ältesten.“ Dennoch tut sich ein Generationengraben auf im DFB-Team. Altgediente Profis wie Klose, Friedrich, Frings (alle verletzt) sowie Metzelder (außer Form) fehlen oder sie haben sich vom DFB verabschiedet (Lehmann, Neuville). Die Nachrücker werden sich ihrer Rolle erst nach und nach bewusst.
Sie kommen aus der zweiten Reihe. Bastian Schweinsteiger (24 Jahre/64 Länderspiele), Per Mertesacker, der Abwehrchef (24/54), Thomas Hitzlsperger (26/44) und vor allem Philipp Lahm (25/54).
Lahm wäre schon vor Saisonbeginn bei Bayern gern Kapitän geworden und ist bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. „In einer Mannschaft zählt als erstes die Leistung auf dem Platz“, meinte Lahm, „aber auch außerhalb ist es wichtig, seine Meinung zu äußern und kritische Dinge anzusprechen.“ Er macht das, Klose machte das in Bezug auf Ballack. Lahm sagt: „Es ist gut und wichtig, dass es mehrere Säulen in der Nationalmannschaft gibt.“
Die Bayern sind die Säulen, Lahm eben, dazu Schweinsteiger, der bereits mehrmals nach Auswechslungen anderer Interims-Kapitän beim DFB war, und Klose. Doch bis auf den Stürmer ist der Rest Mitte zwanzig, eine andere Generation. Bundestrainer Joachim Löw sieht „einen Prozess“, an dessen „Ende sich ganz natürlich eine Hackordnung bildet“. Daher ist die Mannschaft auch noch nicht gefestigt.
„Natürlich hängt das mit der Altersstruktur zusammen", erklärte Ballack, „junge Spieler haben eben noch Leistungsschwankungen, und da ist es klar, dass der Nationalelf in manchen Phasen die Dominanz, die Souveränität, die Ausstrahlung fehlen.“ Wie gegen Liechtenstein: „Wir führen 4:0 - und werden zu hektisch, weil wir zu viel wollen.“
In Wales steht, so sagt es Hitzlsperger, „ein Schlüsselspiel" an. Auch er, seit Saisonbeginn Kapitän beim VfB Stuttgart, weiß, welche Worte zu wählen sind vor solchen Spielen. „Brutalen körperlichen Einsatz“, erwartet Löw von den Walisern, es werde ein „Abnutzungskampf“. Da ist Ballack gefordert. Und die zweite Reihe.
Patrick Strasser