Schweigen für mehr Stimmung
Beim Bundesliga-Spieltag am Dienstag und Mittwoch wollen die Kurvenfans in den ersten zwölf Minuten und zwölf Sekunden protestieren
Frankfurt - Michael Gabriel geht von einer „beeindruckenden Demonstration" aus. Der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) hat bereits vernommen, wie einig sich sogar rivalisierende Fangruppen bei einer Maßnahme sind, die für die nächsten drei Spieltage einen neuen Meilenstein in Sachen Fanprotest setzen wird. „Viele Kurven werden geschlossen schweigen", glaubt Gabriel. Für zwölf Minuten und zwölf Sekunden, so wie es die Initiative „12doppelpunkt12" vorgibt. Nirgendwo soll es am Dienstag und Mittwoch in der Anfangsphase die übliche Anfeuerung geben. Die Parole heißt: „Keine Stimme - keine Stimmung!"
Der Name der Initiative, die auf sozialen Netzwerken wie Facebook in der Schnelle mehr als 10.000 Unterstützer gefunden hat, führt auf das Kernproblem zurück: Am 12. Dezember wollen bei der DFL-Vollversammlung alle 36 Profivereine ein neues Sicherheitskonzept verabschieden. Gegen den ersten Entwurf, der unter dem Namen „Sicheres Stadionerlebnis" firmierte, hagelte es Proteste. Der treueste Kern der Kundschaft fühlt sich übergangen und überrumpelt.
Philipp Markhardt, Sprecher der Initiative, beklagt plakativ: „Der Inhalt des Konzepts ist und bleibt ein Horrorkatalog." Vor allem Vollkontrollen, Kollektivstrafen oder Kartenkontingentreduzierungen sind Schreckgespenster dieser Initiative, die schreibt: „Die Theoretiker in Frankfurt wünschen sich ein unkritisches und vor allem zahlungskräftiges Publikum frei nach Motto: ‚Hinsetzen, Klappe halten und bezahlen'!"
Dem hält die DFL entgegen, dies sei ein „Papier erfahrener Praktiker", wie Christian Seifert als Vorsitzender der Geschäftsführung die Kommission "Stadionerlebnis" unter Vorsitz von Peter Peters (FC Schalke) nennt. Vom FC Bayern ist Michael Gerlinger dabei. Dieses Gremium versucht sich im Grunde an der Quadratur des Kreises: Einerseits müssen unter dem Eindruck des Sicherheitsgipfels im Sommer, als die Innenminister Druck auf den bezahlten Fußball ausübten, Beschlüsse gefasst werden. Seifert gesteht: „Wenn das nicht geschieht, werden von Anderen Fakten geschaffen." Andererseits ist von Seiten der DFL, Politik oder Polizei viel zu oft nur über statt mit den Fans geredet worden, die sich nun eine Stimme verschaffen, indem sie keine Stimmung machen.
Die DFL will über alle strittigen Punkte der bereits mehrfach modifizierten 35-seitigen Vorlage in zwei Wochen nun einzeln abstimmen lassen. Dass Ligapräsident Reinhard Rauball sein Bekenntnis zum Erhalt der Stehplätze („Das Letzte, was wir abschaffen wollen") erneuerte, verhallte bei Fangruppierungen teilweise ungehört. Dann haben sich einzelne Frankfurter Anhänger beim Auswärtsspiel in München in Zelten ausziehen müssen, woraufhin der Ligaverband flugs betonte, „keine statuarischen Vorgaben bezüglich Ganzkörperkontrollen" machen zu wollen".
„Die Kluft hat sich sicherlich noch verstärkt", urteilt der Fanexperte Gabriel, „andererseits gibt es vermehrt auch konstruktive Signale." Etwa die Tatsache, dass die Debatte um das DFL-Papier dafür gesorgt hat, „dass Vereine und Fanszene in einen intensiven Dialog getreten sind." KOS-Leiter Gabriel warnt vor englischen Verhältnissen, wo weite Teile der Fankultur durch die abgeschafften Stehplätze und erhöhten Eintrittspreise zerstört sind und längst jene vornehm zurückhaltende Atmosphäre herrscht, die ab heute für 12:12 Minuten auch in deutschen Stadien Einzug halten soll. Als eindringliche Mahnung.
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