Schön, gut - und nun auch fleißig
Portugals Superstar Cristiano Ronaldo, einst als „eitler Gockel“ beschimpft, präsentiert sich vor der EM als geläuterter Teamplayer.
Lissabon - Dass sich Iker Casillas Spaniens berühmteste Sportzeitung „Marca“ aussuchte, um Cristiano Ronaldo zu loben, hatte seinen Grund. Jetzt, wo die Welt den besten Ronaldo aller Zeiten erlebt, sollte die Welt wissen, er hatte seine Meinung geändert. Marca dringt in jede Ecke Spaniens, sie liegt in jedem Café, 2,5 Millionen Leser saugen sie jeden Tag auf der Suche nach Neuigkeiten des Fußballs aus. Das sollten sie nun ebenso mit seiner Nachricht machen.
„Ich habe noch nie jemanden auf solch einem Level spielen sehen. Seine Quote ist unglaublich“, jubelte der Real-Keeper, „ich hätte nie gedacht, dass er so eine große Rolle bei uns spielt. Hoffentlich spielt er nicht in dieser Form bei der EM gegen Spanien.“ Liebliche Flötentöne klangen jedem entgegen, der „Marca“ las.
Ronaldo mal als „Prolet“, mal als „eitler Gockel“ oder „verzogener Bengel mit viel zu viel Geld“ beschimpft, ist angekommen bei Real Madrid. 58 Tore in Meisterschaft, Champions League und Pokalspielen – und die Gewissheit, mit ihm kann man Titel gewinnen, ist das, was er zurück gab für die Anerkennung, die man so zuvor kaum einmal für ihn übrig hatte.
Heute mag Casillas nicht mehr gerne an seine Worte von damals erinnert werden. „Cristiano ist schön und gut, aber im Fußball gewinnen nicht Namen, sondern Männer“, hatte er 2009 gesagt, als der Star für 94 Millionen Euro aus Manchester kam. Man konnte sich vorstellen, worüber Casillas und Freundin, die TV-Reporterin Sara Carbonero, zu Hause sprachen, nachdem sie lästerte: „Ronaldo war immer ein Egoist und Individualist auf dem Feld. Real hat ihn trotz allem geholt. Er leidet aber unter Beklemmung.“
Damals waren es nicht nur Casillas und Co., die Probleme mit ihm hatten. Er beklagte sich, nur drei Freunde im Klub der Königlichen zu haben. Heute sind es einige mehr, aber nun spielt er vielleicht bald gegen sie. Auch in Portugal empfanden nicht alle den flegelhaften Kerl mit gefühlt tausend Luxuskarossen als großes Vorbild. Nun nimmt man einen Reifeprozess wahr, weil der „Gel-Kopf“ plötzlich zum besser postierten Teamkollegen abspielt. Mit dem Wandel geht in Portugal die Hoffnung einher, es könnte diesmal zu mehr reichen als zum frühen Aus, dem die übliche Portion traurigen „Fados“ folgt.
Der Optimismus in Portugal hat sogar die Neid-Debatten um Ronaldos Gehalt (von 13 Millionen bis 38 Millionen Euro reichen die Schätzungen), seine Affären und teuren Unfälle mit Ferraris und Lamborghinis verdrängt. Luis Figo, dem man in Madrid einst einen Schweinekopf aufs Spielfeld hinterher warf, weil er zum Erzrivalen Barcelona wechselte, glaubt an den großen Wurf – und an Trainer Paulo Bento. Mit ihm sei das Klima im Team der Einzelkönner besser und Ronaldo kein Störenfried mehr.
Den Berichten über Ronaldo schloss sich der deutsche Nationalspieler Sami Khedira an, der seine Botschaft über eine Art stille Post in der Bundesliga verbreiten ließ. Den Ex-Kollegen in Stuttgart habe Khedira erzählt, Ronaldo sei einer der härtesten Arbeiter und schiebe Sonderschichten, hieß es. Nun wird über dessen gute Seiten in den Zeitungen berichtet, seiner Leidenschaft für Gartenarbeit und die sozialen Projekte. Der narzisstische Gigant wird zumindest vorübergehend „nur“ zum besonderen Menschen. Nun muss der Gewandelte beweisen, dass er im Nationalteam so gut spielen kann wie im Klub, und die Teamkollegen, dass sie ihn nicht alleine lassen.
Und Ronaldo? Der sagt „Portugal kann den Titel gewinnen“. Das registrierten die Portugiesen mit großem Wohlwollen. Schließlich hat der Mann, der sich bei seinen Freistößen breitbeinig wie ein Westernheld postiert, der als Unterhosen-Model sein Salär aufbesserte und eine Spur zu oft herum posaunte, der Größte zu sein, nicht gesagt, er würde im Alleingang gewinnen. „Ich“, meinte der Geläuterte, „strebe nicht nach persönlichen Rekorden, sondern nach Titeln.“
Nach dem Titel mit Real haben der neue Ronaldo und Portugal ihren Blick auf die EM gerichtet.