Schnellinger: Legendärer WM-Torschütze wird 70
MAILAND - Sein Treffer bei der Weltmeisterschaft 1970 im Halbfinale gegen Italien machte den Abwehr-Spieler einst berühmt. Heute ist er in Deutschland fast vergessen.
„Schnellinger, (...) ausgerechnet Schnellinger!“ Fußball-Reporter Ernst Huberty kann es nicht fassen. Ausgerechnet dem Italien-Legionär gelingt gegen seine Wahlheimat im Halbfinale der Weltmeisterschaft 1970 in der 90. Minute der Ausgleich. Der einzige Länderspieltreffer von Verteidiger Karl-Heinz Schnellinger bringt die Verlängerung, die als eine der mitreißendsten und dramatischsten in die WM-Geschichte eingeht. Am kommenden Dienstag (31. März) feiert der einstige Defensiv-Star und 47-fache Nationalspieler seinen 70. Geburtstag.
„Was sollte ich da hinten in der Abwehr bleiben? Da habe ich gedacht, gehste nach vorne, biste auch bald in der Umkleide“, schildert Schnellinger verschmitzt seine Gedanken vor der Flanke von Jürgen Grabowski. „Da blieb mir nichts anderes übrig als ihn reinzumachen.“ Nach dem 3:4 in einem 120-minütigen Fußball-Krimi - einem „Jahrhundert-Spiel“ – vor 100 000 Zuschauern im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt schleicht der Abwehrspieler des AC Mailand zusammen mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Co. dennoch als Verlierer vom Platz.
Dieses Tor könne ihm keiner mehr nehmen, aber seine anderen „erschwitzten“ Erfolge seien ihm genauso wichtig, sagt Schnellinger, einer der erfolgreichsten deutschen Profis im Ausland. „Da müssen andere noch viel laufen, bis sie dahin kommen. Doch daran erinnert sich kein Mensch“, sagt der einstige Libero, der seinen Geburtstag mit der Familie in seinem Wohnort Segrate bei Mailand verbringen will.
"Den Schnellinger - den den gibt es gat nicht in Deutschland"
Tatsächlich ist Schnellinger im Vergleich zu vielen seiner früheren Mitspieler weniger bekannt – und das, obwohl er bei vier Weltmeisterschaften zwischen 1958 und 1970 einen zweiten, dritten und vierten Platz errungen hat. „Den Schnellinger – den gibt es gar nicht in Deutschland. Ich bin aber nicht traurig darüber.“
In Italien, wo er später auch als PR-Experte in der Catering- Branche arbeitete, steigt der Dürener dagegen in 284 Spielen der Serie A zum Fußball-Idol auf. Nach kurzen Gastspielen beim AC Mantua (1963/1964) und dem AS Rom (1964/1965) wird Schnellinger Stammspieler beim AC Mailand (1965 – 1974). Mit dem Traditionsverein gewinnt „Carlo il Biondo“ (Carlo, der Blonde) die Meisterschaft und viermal den Pokal. Er holt den Europapokal der Landesmeister, zweimal den Europapokal der Pokalsieger und den Weltpokal.
Den 1. FC Köln habe er 1963 und damit vor der ersten Saison der neu gegründeten Bundesliga verlassen, weil er „für einen Appel und ein Ei“ gespielt habe, sagt der deutsche Meister von 1962. Ein Jahr später wäre er vielleicht nicht mehr weggegangen, meint Schnellinger. Einmal kommt der sommersprossige Blondschopf noch zurück. Bei Tennis Borussia Berlin lässt er 1974/75 seine Karriere ausklingen.
Doch auch dadurch ist der Rheinländer nicht in vielen Köpfen hängen geblieben. Und ein bisschen bewegt es Schnellinger wohl doch, denn er hat eine Bitte: „Schreiben Sie meinen Namen richtig. Sonst vergisst man mich noch mehr.“
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