Russlands Vize-Premier Witali Mutko weist erneut alle Doping-Vorwürfe zurück

Russlands Vize-Premier Witali Mutko hat in einer Wutrede vor der Auslosung der WM-Endrunde in Moskau erneut alle Doping-Vorwürfe zurückgewiesen. Der Politiker bewegte sich hart an der Grenze zur Verleugnung.
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Russlands Vizeregierungschef und Sport-Multifunktionär, Witali Mutko (links), und FIFA-Präsident Gianni Infantino (hinten) bei der Pressekonferenz vor der Gruppenauslosung für die WM 2018.
Nick Potts/PA Wire/dpa Russlands Vizeregierungschef und Sport-Multifunktionär, Witali Mutko (links), und FIFA-Präsident Gianni Infantino (hinten) bei der Pressekonferenz vor der Gruppenauslosung für die WM 2018.

Russlands Vize-Premier Witali Mutko hat in einer Wutrede vor der Auslosung der WM-Endrunde in Moskau erneut alle Doping-Vorwürfe zurückgewiesen. Der Politiker bewegte sich hart an der Grenze zur Verleugnung.

Moskau - FIFA-Präsident Gianni Infantino saß hilflos in seinem schwarzen Ledersessel, als Russlands Vize-Premierminister Witali Mutko voller Wut zum großen Propaganda-Rundumschlag ausholte.

Die erdrückenden Beweise für ein staatlich gelenktes Doping-System im WM-Gastgeberland "zielen nur darauf ab, unser Land zu diskreditieren", polterte der 58-Jährige am Freitag vor der Auslosung (ab 16 Uhr im AZ-Liveticker): "Es wird versucht, Russland auf die Füße zu trampeln."

Fast 15 Minuten am Stück rechtfertigte sich der Politiker, seit Jahren einer der mächtigsten Strippenzieher im russischen Sport, in einem marmorgetäfelten Saal im sechsten Stock des Kreml - ohne sich um die Fakten zu scheren. Nach der nächsten Frage setzte er umgehend zu einem weiteren Dauer-Monolog an.

Neben dem verblüfften Infantino hörten mehr als 200 Journalisten aus aller Welt zu, Mutko war überhaupt nicht mehr einzufangen. Er nutzte zum ersten und wohl nicht letzten Mal die WM als Polit-Bühne. "Es hat nie und wird niemals ein staatlich gelenktes Dopingsystem in Russland geben. Das brauchen wir hier nicht", sagte der Chef des WM-Organisationskomitees entgegen aller Erkenntnisse: "Die Vorwürfe wurden nie bewiesen."

Mutko: "Wir sind ein offenes Land"

Dass er an der Realität vorbeiredete, war dem aufgebrachten Politiker egal. Aufgrund der Hinweise auf von oben gelenktes Doping wurden inzwischen etliche russische Athleten gesperrt. Im McLaren-Report, auf den sich die Urteile beziehen, ist von mehr als 1.000 russischen Athleten die Rede, die zwischen 2011 und 2015 von dem Betrugssystem profitiert haben - darunter auch 34 Fußballer, inklusive des gesamten WM-Kaders von 2014.

"Es heißt immer, überall auf der Welt ist es gut, aber in Russland ist es schlecht", sagte Mutko: "Wir sind ein offenes Land, das alle Einstellungen und Religionen respektiert. Jeder kann kommen und sich hier wohlfühlen."

Der ehemalige Sportminister wird vom russischen Kronzeugen Gregorij Rodtschenkow als Schlüsselfigur des Staatsdoping-Systems bezeichnet. Selbst das lange zurückhaltende Internationale Olympische Komitee (IOC) stuft den ehemaligen Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors mittlerweile als "glaubwürdigen Zeugen" ein. Das IOC entscheidet am 5. Dezember in Lausanne über Sanktionen gegen Russland. Auch ein Komplettausschuss von den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) ist möglich.

Mutko: "Das bezeuge ich vor kedem Gericht"

"Wir glauben an die Unschuldsvermutung", sagte Mutko, "und nicht an Kollektivstrafen, die ja anscheinend im Moment in Mode sind." Alle Beteiligten "sollten sich die Fakten anschauen", Russland spiele nach den Regeln: "Das bezeuge ich vor jedem Gericht!"

Infantino, vollkommen überrollt von seinem Nebenmann, verwies darauf, dass er nur über den Fußball sprechen könne: "Ich kann nur wiederholen, dass sich die FIFA nicht an Spekulationen beteiligt. Die FIFA testet alle Spieler in- und außerhalb der Wettbewerbe." Diese Tests seien unter anderem bei der WM 2014, dem Confed Cup und den Klubwettbewerben (der Europäischen Fußball-Union, d. Red.) negativ gewesen.

FIFA-Boss Infantino hilflos

"Wenn ein Spieler gedopt ist, wird es Sanktionen geben", sagte der Schweizer: "So haben wir es gemacht, und so werden wir es immer machen. Es ist sehr wichtig, dass sich jeder an die Regeln hält."

Der Weltverband selbst steht seit Wochen in der Kritik, weil er auf die Erkenntnisse des McLaren-Reports und die Aussagen von Rodtschenkow allenfalls halbherzig reagiert. Infantino ließ im Kreml keine Zweifel aufkommen, dass sich daran in naher Zukunft nichts ändern wird.

"Wir sollten keine Entscheidungen treffen, bevor Entscheidungen getroffen sind", sagte Infantino und sorgte damit für Ratlosigkeit: "Wir müssen die Ergebnisse abwarten, sollten vorsichtig mit Vorverurteilung sein. Wir dürfen nicht alles schwarzmalen, was aus dem Osten kommt, und sagen: Bei uns gibt es keine Korruption, kein Doping."

Lesen Sie hier: WM 2018 - die Gruppenauslosung im AZ-Liveticker

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