Robert Enkes Tod: Ein Jahr danach

Am Mittwoch jährt sich der Todestag des früheren DFB-Torwarts Robert Enke. Bundestrainer Löw und Witwe Teresa legen am Grab einen Kranz nieder. Doch hat sich etwas geändert?
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Beging am 10. November 2009 Selbstmord: Nationaltorwart Robert Enke (32 †).
Bongarts/Getty Images Beging am 10. November 2009 Selbstmord: Nationaltorwart Robert Enke (32 †).

HANNOVER - Am Mittwoch jährt sich der Todestag des früheren DFB-Torwarts Robert Enke. Bundestrainer Löw und Witwe Teresa legen am Grab einen Kranz nieder. Doch hat sich etwas geändert?

Der 10. November 2009 ist jener Tag, der nicht nur Fußball-Deutschland in einen Schockzustand versetzte. Es ist jener Tag, an dem Nationaltorwart Robert Enke (32†), von Depressionen getrieben, für sich keinen anderen Ausweg sah und sich vor einen Zug warf. Jetzt, am ersten Jahrestag, werden sich DFB-Präsident Theo Zwanziger, Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Manager Oliver Bierhoff ans Grab begeben und dort einen Kranz niederlegen.

Enkes Witwe Teresa wird auch an dieser Zeremonie teilnehmen, der Friedhof wird abgesperrt. Enkes Verein Hannover 96 hat bewusst nicht zu Trauerfeiern aufgerufen, die Mannschaft trainiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit, einige Spieler wollen sich an der neuen Gedenkstätte vor dem Nordtor der Arena aber verabschieden.

Direkt nach Enkes Selbstmord wurde unisono ein Umdenken in Sachen Depressionen gefordert. Zwanziger hatte bei der Trauerfeier im 96er-Stadion, als Enkes Sarg dort aufgebahrt war, gemeint: „Fußball darf nicht alles sein. Ein Stück mehr Menschlichkeit, ein Stück mehr Bekenntnis zur Würde des Menschen, des Nächsten. Das wird Robert Enke gerecht.“

Doch wie viel hat Enkes Tod wirklich verändert? Andreas Biermann, Ex-Profi des FC St. Pauli, der an schweren Depressionen leidet und zwei Wochen vor Enkes Suizid einen Selbstmordversuch unternommen hat, zeichnet ein düsteres Bild. Alle Klubs gaben ihm einen Korb, weil man ihm nicht zutraute, „mit dem Druck fertig zu werden“. Auch der DFB habe sich nie bei ihm gemeldet. „Nach Enkes Tod hat Zwanziger gesagt, dass sich etwas ändern muss. Geändert hat sich nichts. Das waren Lippenbekenntnisse. Vielleicht wird in Jahren anders mit dem Thema Depressionen umgegangen, vielleicht auch nie“, sagte Biermann in der „WamS“, „ich rate keinem Fußballer, sich zu outen.“

Enkes Freund und Manager Jörg Neblung glaubt, dass kleine Fortschritte gemacht wurden. „Ich denke, dass sich im Kleinen durchaus etwas geändert hat, dass Trainer und Manager sensibler auf diese ,Anwesenheit der Abwesenheit’ reagieren. Aber wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Daher sind Outings für aktive Spieler sehr schwierig. Ich würde mir wünschen, dass ein betroffener Spieler, der am Ende seiner Karriere steht und diese Krankheit bereits einmal überwunden hat, das publik macht.“

Matthias Kerber

Teresa Enke schöpft Kraft dank Leila

"Wir haben gedacht, wir schaffen alles, mit Liebe schafft man alles, aber es geht eben doch nicht immer.“

Das waren die bewegenden Worte, die Teresa Enke bei der Pressekonferenz nur einen Tag nach dem Selbstmord ihres Mannes fand. Die 34-Jährige lebt weiter in dem umgebauten Bauernhof im Dorf Empede bei Hannover, den sie schon mit Robert zusammen bewohnte. In der Nähe des Hauses hatte sich ihr Mann vor den Zug geworfen.

Vor einer Woche hat Teresa endlich die gute Nachricht erhalten, dass die Adoption von Tochter Leila (1) durch das Vormundschaftsgericht Hannover genehmigt ist. Die Enkes hatten Leila ein paar Monate vor Roberts Suizid als Pflegekind aufgenommen. „Ich schöpfe Kraft dank unserer Tochter, wenn ich mich zusammenreißen muss“, sagte sie kürzlich.

Teresa kümmert sich auch um die Robert-Enke-Stiftung, deren Vorstandsvorsitzende sie ist. „Frau Enke möchte dem Tod ihres Mannes so einen Sinn geben“, sagt Stiftungs-Geschäftsführer Jan Baßler. Und Teresa selber meint: „Es freut mich, dass die Sinnlosigkeit von Roberts Tod anderen geholfen hat. Es gibt einige Personen, die aus der Klinik geschrieben haben, dass sie sich jetzt geöffnet haben, dass sie sich einweisen ließen.“

Ansonsten will sie aber keine öffentliche Person sein. „Es geht ihr besser, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit steht“, sagt der Freund der Familie Jörg Neblung. kby

Marco Villa fehlen „unsere Gespräche“

Es war kurz nach der Wende, als sich die Wege von Marco Villa und Robert Enke kreuzten. Der Torjäger aus Düsseldorf und der Keeper aus Thüringen lernten sich bei einem Lehrgang der Jugendnationalmannschaften kennen. Sie wurden beste Freunde, absolvierten die Bundeswehr zusammen, spielten von 1996 bis 1999 gemeinsam für Borussia Mönchengladbach.

Villa war einer der wenigen, denen sich Enke als depressiv geoutet hatte. „Zwischen uns bestand eine tiefe Freundschaft, Robbie war ein guter Zuhörer, er war immer für einen da, wenn man ihn gebraucht hat“, sagt der 32-Jährige, der in Italien für den fünftklassigen Klub San Nicolo spielt und gerade sein BWL-Studium abgeschlossen hat. Zusammen mit Roberts Frau Teresa und Manager/Freund Jörg Neblung versuchte Villa immer wieder, Enke in seinen schwarzen Momenten zu helfen. „Es ist nicht so, dass wir uns nicht bemüht hätten, eine Lösung zu finden. Roberts Tod ist schwierig zu begreifen. Aber inzwischen kann ich es akzeptieren, weil es eben Roberts Entscheidung war. Aber Robert fehlt mir, unsere Gespräche fehlen mir.“

Jörg Neblung zwischen Wut und Trauer

Bei der Trauerfeier im Stadion stützte Jörg Neblung Enkes Witwe Teresa. Er war nicht nur Roberts Manager, sondern auch sein Freund. An diesem Jahrestag wird Neblung ans Grab gehen. „Ob ich auch an den Ort gehe, an dem er sich umgebracht hat, weiß ich nicht. Es ist ein Ort, der mir immer noch großes Unbehagen bereitet.“ Erstmals waren bei Enke 2002 Depressionen aufgetreten, Neblung war stets an seiner Seite. „Es gab Phasen, in denen wir Robert nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen haben. Da haben wir nachts im Haus Türen und Fenster gesichert, damit er nicht verschwinden kann.“

Doch 2009 konnten weder Neblung noch Enkes Frau Teresa erkennen, wie schlecht es um Robert stand. Neblung: „Natürlich hat es mich auch wütend gemacht, dass Robert uns in den letzten Tagen getäuscht hat. Es gibt ein Bild von ihm und Tochter Leila, das am Abend vor seinem Tod aufgenommen wurde. Sein Lachen wirkte echt, nicht nur um den Mund, sondern auch durch seine Augen. Niemand würde denken, dass dieser Mensch den Entschluss gefasst hatte, sich am nächsten Tag zu töten.“

kby

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