Reservist und dennoch Schlüsselfigur: Müllers besondere Rolle unter Nagelsmann

Bayern-Star Thomas Müller geht in seine vierte Europameisterschaft, er will endlich sein erstes Tor erzielen - und seine Teamkollegen antreiben. An ein Karriereende denkt er nicht: "Die bauen auf mich."
von  Patrick Strasser
"Ich denke jetzt noch nicht ans Abtreten, sondern an die Aufgaben, die vor uns stehen", sagt Thomas Müller vor seiner vierten EM. Als "Bindeglied" ist er extrem wichtig für Bundestrainer Julian Nagelsmann.
"Ich denke jetzt noch nicht ans Abtreten, sondern an die Aufgaben, die vor uns stehen", sagt Thomas Müller vor seiner vierten EM. Als "Bindeglied" ist er extrem wichtig für Bundestrainer Julian Nagelsmann. © IMAGO/Beautiful Sports

Blankenhain - Zahlen lügen nicht, Statistiken sprechen meist eine spezielle Sprache. Thomas Müller, 34 Jahre alt, geht mit der anstehenden Heim-EM in sein achtes Turnier im DFB-Trikot seit dem sensationellen Debüt 2010 in Südafrika.

Als 20-jähriger Jungspund gewann der Bayer damals den Goldenen Schuh für den WM-Torschützenkönig, erzielte fünf Treffer in seinen Länderspielen Nummer drei bis acht. Ein Star wurde geboren.

Bei drei weiteren WM-Turnieren ließ Müller fünf weitere Tore folgen, alle beim Titel-Gewinn 2014 in Brasilien. Und jetzt kommt der Bruch in seiner Turnier-Vita: Bei den bisherigen drei Europameisterschaften von 2012 bis 2021 gelang dem Offensivspieler, der in 128 Länderspielen 45 Mal erfolgreich war, genau: kein Treffer. Kein einziger, nichts, null.

Besiegt Thomas Müller endlich seinen EM-Fluch?

Das Eröffnungsspiel am 14. Juni in München gegen Schottland könnte Müllers 16. EM-Spiel werden. Zeit, dass sich was dreht. Dafür muss zuallererst Julian Nagelsmann mitspielen. Der Bundestrainer hat die sportliche Relevanz von Müller im Spätherbst seiner Karriere klar und deutlich formuliert: "Er wird Spielzeit bekommen, wenn auch nicht immer von Anfang an."

Müller weiß das, es ist okay für ihn. Solche Gespräche wie im März, als Nagelsmann jedem Nationalspieler dessen spezielle Rolle für den Kader offenbarte, seien "ganz wichtig, damit nicht Enttäuschungsmomente kommen eine halbe Stunde vor dem Spiel, weil diese die Leistung beeinflussen", sagte Müller, der Edeljoker und Kommunikator der Mannschaft. Ein Kümmerer, ein "Bindeglied", wie ihn Nagelsmann bezeichnete, "er ist, wie er ist, und das ist gut so."

Müller scherzt über sich selbst: "Ein bisserl was kann er schon noch, der Onkel"

Aber Müller ist Sportler, ehrgeizig wie kaum ein anderer - auch wenn man ihm das aufgrund seines Naturells nicht anmerkt. Daher will er nicht auf seine Rolle neben dem Platz, gar die eines Pausenclowns, reduziert werden. "Ein bisserl was kann er schon noch, der Onkel", betonte Müller am Rande des DFB-Trainingslagers in Blankenhain ganz bewusst und definierte seine Aufgabe: "Ich will die Mannschaft immer daran erinnern, dass es einerseits um Arbeit und Erfolge geht, andererseits aber auch um die nötige Lockerheit. Die brauchst du, um den nötigen Extrameter zu machen. Ich bin nicht hier, um die Leute zu unterhalten. Mit Unterhaltung alleine kommst du nicht weit."

Wenn schon, denn schon in "gepflegter Ausdrucksweise". Das ist dem Sprachrohr ganz wichtig, "Ab und zu ermahne ich schon, dass man auch ein ,der, die, das' in den Satz einbauen darf." Und wie fallen die Reaktionen der jungen Spieler aus, die von Lehrer Müller gemaßregelt werden? "Lustig! Der ein oder andere Kandidat, der gemeint ist, strengt sich dann auch mal an."

Müller will noch lange nicht ans Karriereende denken

Müller pflegt alles. Die Sprache, den Zusammenhalt und seine Weiterbildung. Müller könne "mit den Rappern - und mit denen, die jodeln", hatte Nagelsmann betont. "Ich komme natürlich eher von den Jodlern", wie der gebürtige Bayer dazu sagte, "aber ich fand es schon immer interessant, die Rapper kennenzulernen. Ich habe mich da nie verschlossen."

Dem Gedanken ans nahende Karriereende - sein Vertrag bei Bayern läuft bis 2025 - verschließt sich Müller vehement. "Ich kann ja meinen Arbeitgeber nicht hängen lassen, die bauen ja auf mich", meinte er und fügte schmunzelnd hinzu: "Also in einer gewissen Art und Weise." Es wird am künftigen Trainer Vincent Kompany liegen, Müllers Rolle nicht nur als Vereinslegende zu sehen.

Und im DFB-Trikot? Ein Rücktritt nach der Heim-EM ist sehr wahrscheinlich, sagt man im Müller'schen Umfeld. Mit Toni Kroos (34), seinem ewigen Karriere-Begleiter, dankt ein Großer diesen Sommer ab. Müller betonte: "Ich denke jetzt noch nicht ans Abtreten, sondern an die Aufgaben, die vor uns stehen." Ein EM-Tor wäre cool. Für ihn und das Team. Was die DFB-Elf erreichen kann? "Wir müssen selbst dran glauben, dass wir die großen Teams schlagen können", sagte Müller, mahnte jedoch: "Wir brauchen uns vor niemandem zu verstecken, uns wird aber auch nichts zufliegen."

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