Ralf Rangnick: Ausgebrannt

Schock für Schalke 04: Trainer Ralf Rangnick leidet an einem „Erschöpfungssyndrom” – und tritt mit sofortiger Wirkung zurück.
von  Thomas Becker

Schock für Schalke 04: Trainer Ralf Rangnick leidet an einem „Erschöpfungssyndrom” – und tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Manager Horst Heldt:
„Das zieht uns den Boden unter den Füßen weg”.

Gelsenkirchen  Horst Heldt sah nicht gut aus. Die Augenringe ließen auf eine schlimme Nacht schließen, als er berichten sollte, wie es zu der Presseerklärung von Ralf Rangnick gekommen war. Via Vereinshomepage hatte der Coach verkündet: „Nach langer und reiflicher Überlegung bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich eine Pause brauche. Mein derzeitiger Energielevel reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein und insbesondere die Mannschaft und den Verein in ihrer sportlichen Entwicklung voranzubringen.” Erschöpft, ausgebrannt, kraftlos: Ralf Rangnick ist nicht länger Trainer des FC Schalke 04.

„Das war ein Schock”, sagte Heldt. Am Mittwoch gegen 22 Uhr hatte Rangnick bei ihm sein Arbeitsverhältnis aufgelöst. „Wir müssen das erst mal sacken lassen”, meinte Heldt, „das zieht uns den Boden unter den Füßen weg, denn das war vorausschauend nicht erkennbar. In ein Seelenempfinden kann man nicht immer hineinschauen. Das ist eine Krankheit, die man nicht an der Stirn ablesen kann.”

Mannschaftsarzt Thorsten Rarreck sprach von einem „vegetativen Erschöpfungssyndrom”. Laut Heldt fuhr Rangnick in seine Heimatstadt Backnang. Eine stationäre Behandlung sei nicht nötig, aber medizinische Betreuung und eine längere Pause. Deshalb werde sich Rangnick „bis auf weiteres” aus der Öffentlichkeit und dem Fußball zurückziehen, so Heldt.

Der Klub muss nun einen Nachfolger suchen. „Eine Lösung werden wir finden. Nicht die schnellste, aber die beste”, sagte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der zugleich betonte: „Jetzt aber hat die Gesundheit von Ralf Rangnick absolute Priorität.” Dennoch traf sich am Donnerstagnachmittag der Aufsichtsrat zur kurzfristig einberufenen Sitzung. Beim Heimspiel gegen Freiburg betreut Co-Trainer Seppo Eichkorn das Team. „Ich bin letzte Nacht total überrascht worden”, sagte Eichkorn, „Ralf hat gesagt, dass er keine Kraft mehr habe, alles zu geben. Die Spieler haben sehr emotional reagiert. So etwas habe ich noch nie erlebt.” Christoph Metzelder meinte: „Das war ein großer Schock. Ich habe in elf Jahren als Profi schon viel erlebt, aber noch nie so etwas.”

Erste Burnout-Symptome hatten sich zum Ende von Rangnicks Zeit in Hoffenheim angekündigt. Zu Jahresbeginn wollte er eine längere Pause einlegen. Die Einigung mit Schalke durchkreuzte die Pläne. Die Mitte März in aller Eile getroffene Entscheidung, seinem Ex-Club helfen zu wollen, erwies sich als Fehler. Der Stress, den Rangnick empfand, war nach seinen Schilderungen hoch. Er habe in den letzten drei Wochen fünf Kilo abgenommen, an Schlaf- und Essstörungen gelitten, berichtete er. Jedes Training sei eine Belastung gewesen. Letzte Woche konsultierte er einen Arzt, der ihm dringend zur Pause riet. „Nur wer selber brennt, kann Feuer entfachen”, sagte Rangnick einmal zu einer Fähigkeit, die ein Fußball-Lehrer besitzen sollte.

Dabei ließ sich alles so gut an: Pokalsieg in Berlin, 5:2 bei Inter Mailand, Euro-League erreicht, Magaths Bläh-Kader nach und nach sortiert, Raul und Farfan gehalten. Heldt und Tönnies waren zufrieden mit ihrem Wunschtrainer. Doch dieser musste nun kapitulieren.

Sein Geständnis, dem Druck nicht gewachsen zu sein, löste Diskussionen aus. Wie Vorgänger Felix Magath („Ich bewundere ihn dafür, dass er diesen Schritt gemacht hat”) bekundeten viele ihren Respekt. Hannovers Klubchef Martin Kind, der von 2001 bis 2004 mit Rangnick gearbeitet hatte und durch die Fälle der 96-Keeper Robert Enke und Markus Miller sensibilisiert ist, sagte: „Wenn ich ihn später mal anrufe, werde ich wenig sagen. Ich werde ihm vor allem zuhören. Das ist etwas, was ich aus unseren Erfahrungen bei 96 gelernt habe.” 

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