Poltern für Deutschland
Es war einmal ein Sommermärchen. Eines ohne Happy End – sechs Jahre ist es her, dass die Nationalmannschaft Platz drei bei der Heim-WM belegte. Immerhin blieb ein gutes Gefühl zurück . Und so Freude sich die Nationalspieler, die vier Nächte rund um das WM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Berlin gegen Schweden (20.45 Uhr, ARD live) im altehrwürdigen Schlosshotel im noblen Berliner Stadtviertel Grunewald zu verbringen. Fünf Spieler von damals sind diesmal noch dabei. Per Mertesacker, Miroslav Klose, Lukas Podolski sowie Philipp Lahm Lahm und Bastian Schweinsteiger – heute Kapitän und Vizekapitän.
2006 standen sie in der Hierarchie hinter Ballack, Frings, Lehmann, Kahn. Mittlerweile sind Lahm/Schweinsteiger das mächtigste Duo des deutschen Fußballs, als Boss und Stellvertreter bei Bayern und in der Nationalelf. Gemeinsam haben sie 189 Länderspiele, wurden EM-Zweiter und zweimal WM-Dritter, ganz abgesehen von etlichen Doubles mit dem FC Bayern. Erfolge machen Leute. Ihr Wort hat über die Jahre an Wert gewonnen, im fortgeschrittenen Alter, beide sind 28, nehmen sich die Zwei auch mehr und mehr heraus, Widerspruch zu leisten. Und sei es gegen Uli Hoeneß.
Der Bayern-Präsident hatte zuletzt moniert: „Unsere Nationalmannschaft war die gesamte EM hindurch nicht gut.“ Die gesamte EM? Nicht nur im verlorenen Halbfinale gegen Italien (1:2)? Das wollte Lahm nicht so stehen lassen: „Dieses Urteil akzeptiere ich nicht. Wir haben bei der EM vier Spiele gewonnen und Griechenland – ob es nun ein Mega-Gegner ist oder nicht – im Viertelfinale geschlagen“, betonte Lahm im „kicker“, „wir wissen alle, dass es wichtig ist, gute Ergebnisse zu erzielen.“ Aber, so fügte Lahm in Richtung seines Präsidenten noch einmal deutlich hinzu: „Diese Aussage von Uli Hoeneß kann ich nicht akzeptieren.“
Auch Hoeneß’ Vorwurf der Verhätschelung der Stars beim DFB und zunehmenden Fokussierung auf Freizeitaktivitäten („Tischtennisplatten auf den Mont Blanc!“) konterte Lahm so: „Ich habe bei der EM kein einziges Mal Tischtennis gespielt. Wenn ich Tischtennis spiele, dann im Verein bei Bayern.“ So viel dazu. Ende der Durchsage. Den Präsidenten Hoeneß mal eben zurechtgewiesen. Und wenn er schon mal dabei ist, nimmt Lahm auch Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ins Visier. Eine fehlende Hierarchie? „Wir haben beim FC Bayern wie in der Nationalmannschaft klare Hierarchien“, rückte Lahm gerade, seine Erklärung für eine von Bundestrainer Joachim Löw favorisierte „flache Hierarchie“ lautet, dass man sich „in einer klaren Hierarchie auf Augenhöhe begegnen und unterhalten kann“. Das sei beim DFB-Team absolut der Fall. „Wir sind da in der Nationalmannschaft nicht der Ausnahmezustand, sondern das ist in dieser Generation schon längst in jedem Verein so.“ Damit das auch mal klar ist.
Flache Hierarchie, die sich auf die Hinterbeine stellt. Zuletzt war es Schweinsteiger, der mit seiner Kritik am Teamspirit während der EM ganz bewusst Reizpunkte setzen wollte. Alles für ein Ziel – einen ersehnten Titel. Am liebsten 2014 als Weltmeister in Brasilien. Dafür wird auch mal zurückgestänkert. Man lässt sich nichts mehr gefallen. Das Motto: Schweigen ist Silber, Poltern ist Gold.
Selbst Ex-Kollege Oliver Kahn, mittlerweile TV-Experte, bekam eine Breitseite von Lahm ab: „Nach Niederlagen wird bei uns oft die Einstellung vermisst, weil man sie nicht konkret messen kann. Das kann man immer behaupten.“ Also: Ruhe, bitte!