Polens Kapitän: Sein Vater erstach seine Mutter

Der polnische Kapitän Jakub Blaszczykowski, kurz "Kuba", musste Schlimmes mitansehen. Jetzt bricht er sein Schweigen.
az |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

WARSCHAU Wie viele Profis richtet der Pole Jakub Blaszczykowski, Spitzname Kuba, seinen Blick nach Torerfolgen gen Himmel. „Gott passt auf mich auf, er beschützt mich”, hat er dazu mal gesagt. Seine Mutter hingegen hatte Gott nicht beschützen können.

Blaszczykowski hat viel erreicht für einen Mann, der 1996 als Elfjähriger gleichzeitig seine Mutter verlor, vom Vater getötet – auf eine Weise, die grausamer nicht hätte sein können. Er musste mit ansehen, wie sein Vater Zygmunt seine Mutter Anna erstach. Angeblich wechselte er nie wieder ein Wort mit dem Mörder, der 15 Jahre im Gefängnis saß und vor drei Wochen starb.

Vor zwei Jahren hatte Blaszczykowski in der Öffentlichkeit erstmals über den fürchterlichen Wendepunkt seines Lebens berichtet. In einem bewegenden Interview mit dem Sender TVP1 sprach er von Trauer und Wut und den ewigen Fragen nach dem Warum, die ihn beinahe in den Wahnsinn getrieben hätten. „Ich würde alles dafür geben, wäre sie noch am Leben”, sagte er.

Nun, bei der Heim-EM in Polen, wird Kuba erneut mit der Vergangenheit konfrontiert. „Früher war das etwas, das ich nie erwähnen wollte. Ich habe versucht, es zu vergessen, aber es gelang mir nicht”, wird er in der britischen „Sun” zitiert. Erst jetzt sei er bereit dazu, darüber zu sprechen. Auch wenn er sagt: „Ich werde nie verstehen, warum es passiert ist.” Nach der unfassbaren Tat wuchs er gemeinsam mit seinem Bruder Dawid bei seiner Oma auf, ohne die er, so sagt er, womöglich auf einen falschen Weg geraten wäre. Doch sein Onkel Jerzy Brzeczek, der sieben Jahre lang in der Nationalmannschaft gespielt und das polnische Team 1992 zu Olympia-Bronze in Barcelona geführt hatte, wies ihm im Fußball die Richtung. Dass er mal seinen Onkel als Kapitän der „Biale orly”, der weißen Adler, beerben würde, hätte er niemals zu glauben gewagt.

Heute wird er im zweiten EM-Gruppenspiel gegen Russland in Warschau (20.45 Uhr, ARD live) zum 53. Mal für sein Land auflaufen. Der Weg dorthin war lang. Bei Rakow Tschenstochau und später beim Lokalrivalen KS reifte er zum Profi, bei Wisla Krakau gelang ihm der Durchbruch. Polens Fußball-Idol Zbigniew Boniek verlieh dem Flügelflitzer den Spitznamen „kleiner Figo”. Blaszczykowski nahm es nie an: „Ich mag den Spitznamen nicht. Ich möchte einfach nur Kuba sein.”

2007 wechselte er für 3,2 Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Dort tat er sich anfangs schwer, rief zu selten gute Leistungen ab. Privat fand er jedoch sein Glück. 2010 heiratete er seine Freundin Agata, im April 2011 kam Töchterchen Oliwia zur Welt. Vielleicht war das die Initialzündung, die gefehlt hatte. In dieser Saison startete er als Ersatz des verletzten Mario Götze auf der rechten Außenbahn durch und hatte großen Anteil an der zweiten Meisterschaft der Westfalen in Folge. „Das ist der beste Kuba aller Zeiten”, sagte Sportdirektor Michael Zorc nach dem 5:2-Sieg über den FC Bayern im DFB-Pokal-Finale vor ein paar Wochen: „Er ist extrem gereift.”

Mit Polen peilt Kuba nun den Viertelfinaleinzug an. Mindestens. Seine Mutter hilft ihm dabei, von oben. „Sie bewacht mich”, sagt Blaszczykowski. „Ich hatte in meinem Leben einige Schwierigkeiten, aber ich habe sie gemeistert. Ich habe das Gefühl, dass sie irgendwo ist und mir hilft.”

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.