Per Mertesacker: Hitzig im Einzelinterview - ganz relaxt auf der Bank

Im WM-Viertelfinale plötzlich auf der Auswechselbank? Und das mit der Erfahrung von über 100 Länderspielen? Kaum auszumalen, wie etwa ein Cristiano Ronaldo reagieren würde - Zeter, Mordio und akute Eingeschnapptheit würden drohen. Nationalspieler Per Mertesacker ist genau dieses Schicksal am Freitagabend im Spiel der DFB-Elf gegen Frankreich widerfahren. Der 29 Jahre alte Niedersachse hat die kleine "Degradierung" aber nach dem Spiel ganz locker genommen. Und damit einen kleinen Einblick in die (offizielle) Befindlichkeit der Nationalmannschaft gegeben: Alles fürs Team, so lautet die Devise.
Noch am Dienstag nach dem Match gegen Algerien hatte das Nordlicht Mertesacker geradezu südländisches Temperament an den Tag gelegt. Das aber war, nachdem ZDF-Reporter Boris Büchler die Leistung des Teams kritisiert hatte. Der Entscheidung Jogi Löws, auf die Viererkette Höwedes-Hummels-Boateng-Lahm zu setzen, konnte Mertesacker sogar Positives abgewinnen: "Wir sind so glücklich und begeistert. Was ich heute auf der Bank erlebt habe, war sensationell. Das möchte ich auch nicht missen", zitiert "Sport-Bild" den Profi des FC Arsenal.
Einen Shitstorm riskiert Mertesacker also offenbar gerne mal - aber nicht, wenn es "nur" um seine Person geht. "Egal, ob man Wasserträger ist oder Aufmunterer, man muss diese Rolle ernsthaft annehmen. Wir sind mittlerweile so gereift, ich persönlich bin auch gereift - Jeder hat hier eine Berechtigung zu spielen", sagte der kantige Verteidiger weiter. Auch wenn er zugleich durchblicken ließ, dass er natürlich lieber gespielt hätte. Wie locker er trotz allem drauf war, zeigte "Merte" auch nach dem Spiel - und tröstete seinen französischen FC-Arsenal-Teamkollegen Laurent Koscielny nach dem Abpfiff.
Dabei ist der relaxte Standpunkt Mertesackers gar nicht unbedingt die Folge eines großen Reifeprozesses. Dass er seine Person nicht allzu wichtig nimmt, hatte der Star schon bei der EM 2012 bewiesen. Damals setzte Löw auf das Innenverteidiger-Duo Mats Hummels und Holger Badstuber. Mertesacker saß das liebe lange Turnier lang auf der Bank - und mokierte sich keine Sekunde lang.
Dass zumindest im Fußball solche unkomplizierten Helfer gefragt sind, zeigte sich auch nach dem Spiel. Jogi Löw lobte die Reaktion seines Abwehrrecken als "großartig und professionell". Und auch TV-Experte Mehmet Scholl überschüttete den bescheidenen Kicker mit Lob. So ganz nebenbei mag Mertesacker also auch herausgefunden haben, wie man unbeschadet aus so einem Shitstorm wieder herauskommt. Ruhig weiterarbeiten. Und durch selbstlose Taten ganz indirekt erklären, woher der kleine, verbale Fehltritt kam. Denn wer so ruhig in den Hintergrund tritt, der hat sich auch vor der Kamera eigentlich nur für die Mannschaft eingesetzt - und nicht etwa für das eigene Ego.