Pep-Götze und der Jogi-Mario
Bei Bayern ist er nur Ergänzungsspieler, doch bei der Nationalelf blüht Mario Götze auf. Als Spieler, als Mensch. Wie einst Lukas Podolski.
Glasgow - Wann hat man Mario Götze zuletzt so herzhaft lachen, so strahlen gesehen wie während und nach dem Polen-Spiel? Nach dem WM-Finale 2014 von Rio? Ungefähr, ja. Verbunden mit der Endorphin-Frage ist die Frage nach seiner Leistung auf dem Platz: Wann hat man Mario Götze zuletzt so kraftvoll kicken, so effektiv spielen gesehen wie bei seinen zwei Treffern beim 3:1 in der EM-Qualifikation? Nicht mal damals im Maracana-Stadion von Rio, an jenem 13. Juli 2014. Sein brillantes Siegtor gegen die Argentinier war mehr als ein lichter Moment, eine Szene für die Ewigkeit. Der ewige Siegtreffer. Götze ist gleich Finaltorschütze. „Mach ihn! Er macht ihn!“ Der ARD-Live-Kommentar gehört zu ihm wie ein zweiter Vorname.
Im Bayern-Trikot hat der 23-Jährige lange keinen eigenen Treffer mehr bejubelt. 15 Pflichtspiele lang nicht, die Minutenzähler haben 1050 errechnet. Spielt Bayern, lächelt Götze meist gequält. Als Zuschauer. Als Wenige-Minuten-Joker. Nur einmal brach diese Freude aus ihm heraus, die sein teenagerhaftes Gesicht bisweilen offenbart: Als er in Hoffenheim eine starke Partie machte und an Bayerns Siegtreffer beteiligt war. Er durfte ausnahmsweise von Beginn an ran. 90 seiner 127 Minuten in drei Ligaspielen.
Götze ist ein Stimmungsspieler. Diesen Begriff prägte einst Ottmar Hitzfeld. Einer wie Götze braucht Vertrauen und Rückhalt, manchmal Streicheleinheiten für die Seele. So ein Spieler funktioniert nur – oder bestmöglich – mit intensiver Einzelbehandlung und guten Gesprächen. Dortmunds Coach Jürgen Klopp wusste darum. Auch Joachim Löw versteht es, das Mega-Talent zu Höchstleistungen zu treiben. Drei Titel gewann Götze unter Klopp, unter Löw seinen größten. Vor der Partie gegen Polen verkündete er eine überraschende Stammplatzgarantie. Götze zahlte mit Leistung zurück.
3:1 gegen Polen - DFB-Matchwinner Mario Götze
Aber, aber: Auch unter Pep Guardiola (44) hat Götze in seinen beiden Spielzeiten seit Sommer 2013 drei Titel gewonnen, nimmt man den europäischen Supercup und die Klub-WM dazu, sind es sogar fünf. Der Götze im Bayern-Kostüm ist ein Nebendarsteller, bei Löw hat er eine Hauptrolle. Dort Kaum-Super-Mario, hier Happy-Jogi-Götze.
„Ich fühle mich wohl bei der Nationalmannschaft“, sagt Götze, es sei „immer schön, wenn man Vertrauen spürt. Und das spüre ich grundsätzlich immer hier.“ Aufgekratzt hatte er gegen Polen gespielt, „es gibt schlechtere Tage“, sagte er. Zu seinem überragenden Talent kam Feuereifer. Und die Prise Mittelstürmer-Zutat, die es auf der vordersten Position braucht. Vor dem 3:1 machte er sich in Richtung des möglichen Abprallers auf, als der Schuss gerade Thomas Müllers Fuß verlassen hatte. Zielstrebig wie selten.
„Ich vertraue ihm auf unterschiedlichen Positionen in der Offensive“, sagte Löw nach der Ankunft im „Hilton Hotel“ zu Glasgow, „Mario hat ein gutes Orientierungsvermögen auf engstem Raum. Er macht für uns die wichtigen Tore gegen starke Teams.“ Löw und Götze haben öfter telefoniert in den letzten Wochen und Monaten. „Ich habe Mario gesagt, er soll das beim FC Bayern durchstehen und kämpfen“, meinte Löw. Am Montagabend in Glasgow (20.45 Uhr, RTL live) wird Götze zum achten Mal im achten EM-Qualifikationsspiel in Löws Startelf stehen.
Dieses Aufblühen im DFB-Umfeld erinnert an die Zeiten, als Lukas Podolski als unzufriedener Ergänzungsspieler von Bayern anreiste und in schwarz-weiß wieder traf. „Mario spürt, dass er ein unglaublich wichtiger Spieler für uns ist“, sagte Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. Und weiter: „Wir wollen ihm helfen und ihm das Gefühl geben, dass er hier willkommen ist.“ Das machen sie bei Bayern natürlich auch. Vielleicht fasst sich Guardiola ein Herz – und herzt Götze künftig mehr. Der braucht das.