„Ottmar zerreißt sich“

Josef Hochstrasser, der Freund und Biografdes Ex-Bayern-Trainers, über Hitzfelds Status in der Schweiz und dessen gefällten Lieblingsbaum.
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„Er macht sich immer Druck“: Ottmar Hitzfeld kann mit der Schweiz ins Achtelfinale einziehen.
dpa „Er macht sich immer Druck“: Ottmar Hitzfeld kann mit der Schweiz ins Achtelfinale einziehen.

Josef Hochstrasser, der Freund und Biografdes Ex-Bayern-Trainers, über Hitzfelds Status in der Schweiz und dessen gefällten Lieblingsbaum.

AZ: Nach dem 0:1 gegen Chile und der schlechten Schiedsrichterleistung wirkte Ottmar Hitzfeld aufgebracht wie selten. Herr Hochstrasser, haben Sie Ihren Freund jemals so emotional erlebt?

JOSEF HOCHSTRASSER: Selten. Auch ich habe gestaunt, dass er so aus sich heraus ging. Für solche Gefühlsausbrüche braucht es bei ihm sehr viel, ansonsten ist er doch immer so kontrolliert. Aber das zeigt schon, wie groß der Druck auf ihn ist.

Ein Druck, der von innen kommt oder von außen?

Beides. Er macht sich Druck, aber er hat mir auch oft gesagt, dass er den Druck aus der Schweizer Bevölkerung spürt. Die Nation ist schon darauf getrimmt, dass man mit einer Mannschaft dieses Formats das Achtelfinale erreicht. Das ist auch sein eigenes Ziel.

Beim Spiel gegen Chile sah er so verkrampft aus wie in schlimmsten Krisenzeiten beim FC Bayern. Ist der Job als Schweizer Nati-Trainer doch kein Austragsstüberl?

Theoretisch hat das schon so ausgesehen. Nach dem Motto: Ja ja, natürlich, die Schweizer, die sind so gemütlich und da ist er raus aus dem Tagesgeschäft. Aber in der Realität ist es anders. Ob bei der Schweiz oder beim FC Bayern, das ist egal. Ottmar zerreißt sich immer. Mit Haut und Haaren. Er beißt sich in die Arbeit rein.

Dann leidet er also auch so wie bei Bayern?

Ja. Manchmal ist es sogar noch schlimmer. Ich glaube, das 0:1 gegen Chile war für ihn eine größere Enttäuschung als das Champions-League-Finale 1999, das 1:2 gegen Manchester. Er hat gleich gewusst, dass die gesamte Schweiz nach diesem 0:1 ernüchtert ist. Und so etwas tut ihm weh. Stellen Sie sich nur vor, wir schlagen Spanien und fliegen am Ende in der Vorrunde raus. Das wäre eine ganz besondere Tragik.

Würde er hinschmeißen?

Nein, so etwas macht er nicht.

Und wenn sein Rücktritt gefordert würde?

Auch daran glaube ich nicht. Die Schweizer mögen ihn.

Nach der geglückten WM-Qualifikation jubelten manche schon, Hitzfeld sei der „Messias“. Hat Ihnen als Theologe dies gefallen?

Nein. Ich bin zwar kein frommer Pfarrer, aber das sind Begriffe, die gehören nicht in die Fußballwelt. Das sieht Ottmar genauso. Er hat einen sehr katholischen Hintergrund. Messias, das steht nur für einen von vor 2000 Jahren.

Und vor 2000 Jahren ging es auch ganz schnell, dass sie den Messias erst feierten, um ihn dann wenige Tage später ans Kreuz zu nageln.

So ist es. Und Ottmar sagt mir auch manchmal: „Pass auf, jetzt jubeln sie, aber was, wenn der Erfolg ausbleibt.“ Dabei sehen die Menschen schon, welche Emotionen Ottmar für unser Land hat. Weil er nahe der Grenze in Lörrach aufwuchs, weil er zu Beginn seiner Karriere hier war. Seinen Bezug zur Schweiz rechnen ihm die Leute sehr an.

Und auch, dass er bei Interviews nun immer astreines Schwyzerdütsch spricht.

Na ja, da muss ich als Luzerner etwas schmunzeln.

Warum, ist es nicht so gut?

Nein. Was der Ottmar spricht, ist ein alemannischer Dialekt, den man jenseits der Basler Grenze spricht. Nur ein Beispiel: Er sagt: „Es war so“ und meint, das ist schon Dialekt. Aber er würde nie sagen, wie es richtig heißt: „Es is so gsi.“

Nach seiner Karriere könnten Sie ihm ja Nachhilfe geben. Sein Vertrag läuft bis 2012. Oder meinen Sie, er wird danach wieder Vereinstrainer?

Das habe ich ich ihn hie und da auch gefragt, aber da hat er immer abgewunken.

Hat er denn schon Ziele für das Leben nach dem Fußball?

Gar nicht. Er lebt nur im Hier und Jetzt. Da ist er ganz buddhistisch.

Aber wenn es dann so weit ist, wird er wieder viel Zeit haben für Kartenspiele bei Ihnen im Garten unter Ihrem berühmten Zwetschgenbaum?

Nein, so wird’s nicht kommen.

Wieso?

Den Zwetschgenbaum gibt es nicht mehr.

Wie bitte? Ihr Zwetschgenbaum war doch Hitzfelds persönlicher Lieblingsort.

Ja, ich habe ihn umgehauen.

Wie konnten Sie nur!

Wir haben das Haus erweitert. Deswegen hat der Baum dran glauben müssen. Aber wir haben noch einen Kirschbaum. Und da fühlt sich der Ottmar auch wohl.

Interview: Florian Kinast

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