Ottmar Walter: Geburtstag im Rollstuhl
KAISERSLAUTERN - Am Freitag begeht Ottmar Walter, der kleine Bruder des großen Fritz Walter, Weltmeister 1954, seinen 85. Geburtstag. Eine große Feier gibt es nicht, der Jubilar ist gesundheitlich angeschlagen.
Ottmar Walter wurde dekoriert wie ein Staatsmann: Der rheinland-pfälzische Landesvater Kurt Beck verlieh ihm namens des Bundespräsidenten Johannes Rau das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder schmückte den Jubilar mit der höchsten Auszeichnung des Deutschen Fußball-Bundes, mit dem Eichenschild. Das war vor fünf Jahren beim großen Empfang zu seinem 80.Geburtstag im Stadion des 1.FC Kaiserslautern, das den Namen seines großen Bruder trägt, Fritz Walter.
An diesem Freitag steht der nächste "runde" Geburtstag an, der 85. Doch die Feier findet diesmal nur im kleinsten Kreis und mit der Sorge um die Gesundheit des Jubilars statt. Die Landesmutter Roswitha Beck hat das bescheidene Fest arrangiert. Die Familie der Walters, der Sohn, die Schwiegertochter, die 23 und 24 Jahre alten Enkelinnen und deren Freunde, werden im Raum eines Wein-Restaurants in Schweigen an der französischen Grenze dem Jubilar zuprosten. Von Honoratioren wird DFB-Präsident Theo Zwanziger erwartet. Der bescheidene Rahmen hat seinen Grund. Dem Mittelstürmer der "Helden von Bern" geht es gesundheitlich derzeit schlecht. Ottmar Walter wird direkt von einem Rehabilitationszentrum aus Bad Bergzabern zum Familientreff gefahren. Der 54er Weltmeister sitzt im Rollstuhl.
"Er hat sich aber in der Reha körperlich gut erholt. Es geht ihm nach drei Wochen Therapie besser", berichtet seine Frau Anneliese. Beim "Durchchecken" zehn Tage vor Weihnachten war Ottmar Walter im Krankenhaus "sehr schwer gestürzt", so Frau Walter. Arm ausgekugelt. Schwere Prellungen an der Wirbelsäule. Als Folge des Sturzes Gedächtnisstörungen. "Er hat furchtbare Angst, zu stehen, und es bleibt die Frage, ob er wieder wird gehen können", sorgt sich Anneliese Walter.
Seit einigen Jahren schon braucht Ottmar Walter einen Stock. Das rechte Knie war direkt nach dem 80.Geburtstag zum siebenten Mal operiert worden. Keine Folgeschäden des Fußballs, sondern des Krieges. Das wahre Wunder im Leben des Pfälzers war schon vor dem "Wunder von Bern" geschehen. "Als ich aus dem Krieg nach Hause kam, hatte ich nicht mehr geglaubt, noch 13 Jahre Hochleistung bringen zu können", hat er erzählt. Mit zwanzig Jahren hatte er ein Seegefecht als einer von elf Marinesoldaten der 136-Mann-Besatzung überlebt, war aber am rechten Knie schwer verwundet worden. Das Bein drohte steif zu werden. Mit täglich fünfstündigem Beugungstraining besiegte Ottmar Walter das Schicksal.
Mit dem Krieg - und mit dem großen Bruder - hängt wohl auch die Verklärung seines Debüts im ersten Nachkriegsländerspiel Deutschland gegen die Schweiz am 22.November 1950 zusammen. In seinen Erzählungen schwangen stets mehr Emotionen beim ersten Länderspiel mit als beim Berner Finale. Ottmar Walter ist vor Hans Schäfer, 81 Jahre alt, und dem 77-jährigen Horst Eckel der älteste der drei noch lebenden "Helden von Bern".
Fritz Walter war verletzt. Ohne den großen Bruder sei er nur die Hälfte wert, polemisierte die Presse und forderte den Fürther Mittelstürmer Horst Schade. "So'n Mist", entfuhr es ihm, wenn Ottmar Walter davon erzählte. Doch Sepp Herberger stand zu ihm. "Ottes, Sie sind mein Mann. Ich weiß, was Sie können. Auch ohne den Fritz", habe der Bundestrainer zu ihm gesagt. Der Elfmeter, den Herbert Burdenski zum 1:0-Sieg verwandelte, war sein Verdienst. Seinen wuchtigen Kopfball konnte der Schweizer Verteidiger Neury nur noch mit der Hand abwehren. Herberger gab ihm die Hand: "Ottmar, danke." Die vorher so kritische Presse überschlug sich mit Lobeshymnen. Ottmar Walter hat daher immer wieder gesagt: "Mein erstes Länderspiel war für mich vielleicht der größte Erfolg in meinem Leben."
Als Anneliese Walter am vergangenen Sonntag in der "Reha" ihrem Mann die Heimniederlage des 1.FC Kaiserslautern mitteilte, sei er "sauer" gewesen. "Das kriegt er wieder mit." Das hoffnungsvollste Zeichen, dass sich der unverwüstliche Ottmar Walter nach sorgenvollen Wochen auch von diesem Schicksalsschlag im hohen Alter wieder erholt. Das sind die Glückwünsche zum "Fünfundachtzigsten".
Hartmut Scherzer