Nur ein Jahr nach dem Tiefpunkt: DFB-Team unter Nagelsmann träumt wieder groß
Freiburg ist anders, tickt anders. 2.100 Parkplätze für Autos und Busse gibt es am Europa-Park-Stadion und 3.700 Fahrradstellplätze für die 34.700 Ticketinhaber. Vorbildlich. Und tatsächlich, wer schon mal vor Ort im Breisgau war, wähnt sich auf einer Demo, wenn die Drahtesel-Karawane zur im Oktober 2021 errichteten Arena strampelt.
Nach dem Abschlusstraining am DFB-Campus in Frankfurt, das der langzeitverletzte Torhüter Marc-André ter Stegen (Patellasehnenriss im Knie) als Zaungast besuchte, reiste der Tross der deutschen Nationalmannschaft am Freitagnachmittag mit dem Bus – sinnvoller als vom Main aus zu fliegen - ins rund 300 Kilometer entfernte Freiburg. Dort wird man im vom DFB komplett gebuchten Hotel Schloss Reinach im Stadtteil Munzingen logieren. Ob da in den Köpfen auch herumspukt, was vor nicht einmal einem Jahr gewesen ist?
DFB-Elf im November 2023 am Boden
November-Länderspiele bedeuten, dass man auf das Jahr der Nationalelf zurückschaut, Bilanz zieht. Diesmal muss der Blick vor dem vorletzten Gruppenspiel der Nations League am Samstag gegen Bosnien-Herzegowina (20.45 Uhr, RTL) weiter zurückgehen. In den grauen, tristen November 2023 als auch die Schwarzmaler allen Grund hatten, die Nationalelf zu kritisieren.

Auf eine mittelprächtige US-Tour mit den ersten Länderspielen (3:1 gegen die USA, 2:2 gegen Mexiko) der Ära Nagelsmann, dem Nachfolger von Hansi Flick, folgte das Desaster. Ein 2:3 gegen die Türkei in Berlin und ein fußballerisch noch schlechteres 0:2 in Österreich. Niederschmetternd. Deutschlands liebstes und wichtigstes Team lag am Boden. Desillusioniert, ohne Hoffnung. Besser abmelden als Gastgeber der EM, spottete mancher.

Nagelsmann brachte frischen Wind rein, vor allem mit der Königspersonalentscheidung: der Rückkehr von Spielmacher Toni Kroos. Die anderen drei Altstars Manuel Neuer, Thomas Müller und Kapitän Ilkay Gündogan hängten in ihr letztes Turnier vor dem DFB-Rücktritt so richtig rein. Viele neue Gesichter kamen seit einem Jahr hinzu: Maximilian Mittelstädt, Robert Andrich, Tim Kleindienst, Deniz Undav, Aleksandar Pavlovic, Angelo Stiller (letztere drei fehlen aktuell verletzt) – das Alter spielt keine Rolle.
Abläufe beim DFB-Team funktionieren, egal in welcher Besetzung
Eher das Vertrauen in die eigene Stärke, das Rollenverständnis eines jeden Einzelnen und die Besinnung auf ein klares, gewohntes 4-2-3-1-System. Die Abläufe funktionieren, das Team funktioniert. Egal, in welcher Besetzung.
Ein Jahr und eine begeisternde Heim-EM (wenn auch ohne Titelgewinn oder gar Medaille) später freut sich die Fußball-Nation wieder auf die Länderspiele, das Spiel in Freiburg gegen Bosnien-Herzegowina war binnen Minuten ausverkauft. Die TV-Einschaltquoten bleiben selbst nach der mitreißenden EM stabil. Der Umschwung ist geschafft. Die Wirkung soll – dazu bietet sich der Standort Freiburg (siehe oben) bestens an – nachhaltig sein.
Bundestrainer Julian Nagelsmann hat alle Mann der Vorbereitungstage von Frankfurt mit an Bord, auch den zuletzt an einem Infekt leidenden Florian Wirtz (Bayer Leverkusen), der daher wohl erst einmal auf der Bank sitzen wird. Das eindeutige Ziel, da man das Viertelfinalticket bereits sicher hat: "Wir wollen den Gruppensieg perfekt machen", sagte Nagelsmann, "möglichst schon vor unseren eigenen Fans". Dann ginge es im Frühjahr (20. und 23. März) gegen einen der Gruppenzweiten (Frankreich?) der A-Liga. Diese K.o.-Runde im Europapokal-Modus soll nur ein weiterer Schritt sein.
"Der erstmalige Einzug ins Final Four ist für uns im kommenden Jahr ein wichtiges Zwischenziel auf dem Weg zur WM 2026", so Nagelsmann, der bereits ganz bewusst die Zielsetzung Weltmeister für das Turnier in Nordamerika in den Mund genommen hat.
Man stelle sich vor, der vor genau einem Jahr bereits angezählte Bundestrainer – nur ein Sieg aus vier Testländerspielen seit Amtsantritt im Oktober – hätte sich das im trüben November 2023 getraut. Nun, nach dem Wendemanöver in 2024 und dem Klimawandel rund um die Nationalelf in nur einem Jahr, scheint alles möglich. Man denkt wieder groß beim DFB.