Niersbach: "Zermartere mir auch den Kopf"

Der DFB hat eine Presskonferenz abgehalten, auf der sich Präsident Niersbach zu den Bestechungsvorwürfen rund um die WM 2006 geäußert hat.
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Einen ratlosen Eindruck machte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach auf der Pressekonferenz am Donnerstag.
dpa Einen ratlosen Eindruck machte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach auf der Pressekonferenz am Donnerstag.

Nachdem der Spiegel behauptet hatte, die Vergabe der WM 2006 an Deutschland könnte erkauft worden sein, dementierte der DFB vehement. Wohin die ominösen 6,7 Millionen Euro geflossen sind, konnte aber auch Präsident Wolfgang Niersbach nicht erklären.

Frankfurt/Main - Mit einer sonderbaren Erklärung für die ominöse Millionen-Zahlung hat DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in der WM-Affäre die Flucht nach vorne angetreten. Den Auskünften des schwer angeschlagen wirkenden Bosses des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zufolge waren die 2005 an den Weltverband FIFA gezahlten 6,7 Millionen Euro als Rückzahlung eines Darlehens des früheren adidas-Bosses Robert Louis-Dreyfus gedacht, das der inzwischen verstorbene Franzose den Machern der WM 2006 in Deutschland drei Jahre zuvor zur Absicherung eines späteren Zuschusses der FIFA zu den Organisationskosten gewährt und direkt nach Zürich überwiesen haben soll.

"Es ergeben sich Fragezeichen, die sehe ich auch", sagte Niersbach. "Ich zermartere mir auch den Kopf, seitdem das in der Welt ist", sagt Niersbach, müde, angeschlagen und fast schon ein bisschen resignierend. Kategorisch schloss der 64-Jährige jedoch nochmals jegliche Korruption "in der Operation WM 2006" aus.

 

Quelle von Niersbach: Das Gedächtnis von Franz Beckenbauer

 

Auf seiner kurzfristig für Donnerstagmittag einberufenen Pressekonferenz in der Frankfurter DFB-Zentrale blieb Niersbach Antworten auf nunmehr noch drängender erscheinende Fragen häufig schuldig. Als Quelle für seine "gerade erst vor kurzem erhaltenen Informationen" nannte der 64-Jährige außerdem ausschließlich das Gedächtnis von WM-Bewerbungs- und Organisationschef Franz Beckenbauer. Der "Kaiser" soll Niersbach bei einem Besuch des DFB-Chefs am vergangenen Dienstag in Salzburg über die Hintergründe der zumindest ungewöhnlich anmutenden Vorgänge informiert haben.

 

Was ist mit den 6,7 Millionen Euro: Fifa-Kulturprogramm, Dreyfus, Fifa-Kommission

 

Laut Niersbach ist die Deklarierung der vor zehn Jahren an die FIFA gezahlten 6,7 Millionen Euro als Zuschuss für das FIFA-Kulturprogramm demnach eine Legende gewesen. Denn angeblich sollte vielmehr Dreyfus auf diesem Weg jenes Geld zurückerhalten, mit dem er den 2002 vermeintlich klammen WM-Machern zur Erfüllung einer dubiosen FIFA-Bedingung für den späteren Zuschuss des Weltverbandes von 170 Millionen Euro unter die Arme gegriffen hatte.

Niersbach führte aus, dass das Darlehen stets in den Bilanzen geführt worden sei, konnte in diesem Zusammenhang jedoch nicht erklären, warum zur Rückzahlung des Kredites eine finanzielle Harakiri-Aktion notwendig gewesen sein soll. "In Finanzfragen war ich nur sehr bedingt eingebunden", sagte der damalige Vizepräsident des WM-Organisationskomitees.

 

Lesen Sie hier: DFB - Strafanzeige gegen Zwanziger kein Thema

 

Fragwürdig bleibt jedoch die angebliche FIFA-Forderung nach einer Vorauszahlung für einen späteren Zuschuss. Die Begleichung dieser Forderung soll laut Niersbach Beckenbauer in einem Vier-Augen-Gespräch mit FIFA-Chef Joseph S. Blatter ausgehandelt haben. Zwar hätte der "Kaiser" seinen Mitstreitern im offenbar noch nicht mit Eigenmitteln ausgestatteten WM-OK angeboten, die deutsche Vorleistung aus seinem Privatvermögen zu leihen, doch soll Beckenbauers mittlerweile ebenfalls verstorbener Berater Robert Schwan sein Veto eingelegt haben. Daraufhin habe Beckenbauer seine Freundschaft zu Dreyfus genutzt.

"Franz Beckenbauer kann sich aber nur an sein Gespräch mit Blatter als Ausgangspunkt der Vorgänge erinnern", sagte Niersbach am Donnerstag und fügte hinzu: "Ich habe von der Bedingung der FIFA nichts gewusst. Von der Überweisung der 6,7 Millionen Euro an die FIFA in 2005 habe ich im vergangenen Sommer auf merkwürdigen Umwegen erfahren."

 

Lesen Sie hier: Rummenigge - Beckenbauer und Niersbach "Ehrenmänner"

 

Ob die WM-Affäre durch Niersbachs Erklärungen als aufgeklärt angesehen werden kann, muss bezweifelt werden. Weiter nicht einleuchtend erscheint die Notwendigkeit des Überweisungs-Tricks, ebenso der Verzicht der WM-Macher auf Unterstützungsfragen bei Banken oder gar der Bundesregierung. Offen blieb auch, warum Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger als damaliger Finanzchef des WM-OK inzwischen laut nach Aufklärung ruft und seinerzeit bei der "Legenden"-Überweisung mitgeholfen haben soll.

Den aufgetretenen Eindruck einer doppelten Buchführung beim WM-OK nannte der DFB-Chef zutreffend "einen zentralen Punkt". Auch die Gründe für seine intransparente Behandlung des gesamten Vorgangs ließ Niersbach offen.

Zur Verwendung der Dreyfus-Millionen durch die FIFA konnte Niersbach eigenen Angaben zufolge keine Ausssagen treffen. Der Verbandsboss schloss nur für den DFB und das WM-OK korrupte Vorgänge aus.

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