Netzers Wasserträger "Hacki" Wimmer wird 70
Aachen - Herbert Wimmer hat den aus dem Radsport bekannten Begriff "Wasserträger" in den Fußball übertragen. Denn Wimmer, der von 1966 bis 1978 bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag stand, musste durch Laufarbeit die Defizite ausgleichen, die Günter Netzer ("Ich war faul") in der Defensivarbeit hatte oder anfangs, als Rechtsaußen, den langen Pässen des Spielmachers hinterherhecheln. Am Sonntag (9. November) wird Netzers Wasserträger 70 Jahre alt.
Als herabsetzend empfindet er diese Qualifizierung nicht. "Es war ja so. Und überhaupt: Durch Netzer bin ich groß geworden. Aber ich muss schon bemerken, dass ich noch drei Meisterschaften gewonnen habe, als Günter schon bei Real Madrid war", betonte der Jubilar im SID-Gespräch.
Fünf Meisterschaften gewann Wimmer insgesamt, dazu 1973 den DFB-Pokal,
1975 den UEFA-Cup. 1977 stand er im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister (1:3 gegen den FC Liverpool), 1978 beendete er seine Karriere als Vize-Meister hinter dem 1.FC Köln. Es war Borussias größte Zeit. 1972 wurde er Europameister, 1974 Weltmeister. "Und wenn Uli Hoeneß 1976 den Elfmeter nicht in den Nachthimmel von Belgrad geschossen hätte, wäre ich noch einmal Europameister geworden", äußerte er.
Wimmers Trumpf war seine Ausdauer und Schnelligkeit. Sich anlehnend an eine damalige Reklame für den VW-Käfer hieß es oft über ihn: Er läuft und läuft und läuft. Und weil er dabei auch oft und überraschend die Richtung wechselte und Haken schlug, verlieh ihm gleich am Anfang der damalige Torhüter Manfred Orzessek, genannt der Dicke, seinen Spitznamen: Hacki.
Waren es all die Haken, die Tempowechsel, die langen Wege bei hoher Schnelligkeit, die ihn zu drei Hüftoperationen zwangen? Wimmer: "Das haben die Ärzte mir nie 100prozentig bestätigen können."
1978 jedenfalls musste er mit dem Profifußball aufhören, hängte noch ein Jahr bei seinem Heimatverein Borussia Brand dran - Wimmer war also in seiner gesamten Fußball-Laufbahn immer ein Borusse! - doch dann ging es nicht mehr. Er übernahm das Tabakgeschäft der Eltern, das er 2000 verkaufte.
Da ein Laufsport nicht mehr infrage kam, verlegte er sich aufs Radfahren als Ausgleichssport. Die Touren führen ihn in die Eifel, in seinen Geburtsort Eupen (heute Belgien), nach Holland. "In manchem Jahr sind da leicht 5000 Kilometer zusammengekommen", erinnert er sich. Bei Besorgungen hilft ihm seine Tochter, die im gleichen Haus wohnt, einem 1972 erbauten Dreifamilienhaus. Auch der Sohn lebt in Brand, einem Vorort von Aachen.
Zur Borussia geht er, seitdem es den Borussia-Park gibt, wieder häufiger: "Herbert Laumen organisiert dort eine Art Stammtisch. Da treffen sich viele wieder. Ulrik le Fevre, Allan Simonsen sind auch schon mal vorbeigekommen."
Seinen Geburtstag wird er besinnlich begehen. Am 22. Oktober ist seine Frau Renate gestorben. Wimmer: "Da sie lange im Krankenhaus lag, war an die Organisation einer Feier sowieso nicht zu denken." Dann fügt er leise hinzu: "Der Schmerz, die Leere, das wird erst später kommen. Jetzt lenken einen noch der ganze Schriftkram und die Behördengänge ab."