Netzer vertraut Löw-Elf: Können auf Knopf drücken

Hamburg (dpa) - Günter Netzer traut der deutschen Elf bei der Fußball-WM in Südafrika trotz mäßiger Auftritte in den vergangenen Monaten einiges zu.
von  Abendzeitung
Günter Netzer
Günter Netzer © dpa

Hamburg (dpa) - Günter Netzer traut der deutschen Elf bei der Fußball-WM in Südafrika trotz mäßiger Auftritte in den vergangenen Monaten einiges zu.

«Offenbar können wir auf einen Knopf drücken und sagen, jetzt ist WM, jetzt muss es losgehen», sagte Netzer wenige Wochen vor Turnierbeginn in einem Interview mit P.M. History. Diese Fähigkeit sei eine «unerhörte Begabung», vor der «die anderen auch unglaublich Angst haben», meinte der 65-Jährige weiter.

Favorit auf den Titel sei neben Spanien und Brasilien aber England. «Die Engländer sind ja zu allem fähig und zu allem bereit. Die sind physisch stark, die haben einen Willen», erklärte der frühere Nationalspieler. «Fabio Capello hat sie zu einer Mannschaft geformt, die hundertprozentig funktioniert.»

Der TV-Experte glaubt hingegen nicht daran, dass eine afrikanische Mannschaft den Heimvorteil bei einer Weltmeisterschaft nutzen kann. «Ich sehe da keinen im Viertelfinale. Höchstens noch die Elfenbeinküste», sagte er.

Für Cristiano Ronaldo hat Netzer, im Gegensatz zu Barcelonas Superstar Lionel Messi aus Argentinien, nicht viel übrig: «Ich war schon sauer, dass Ronaldo da letztes Jahr noch Weltfußballer wurde.» Zudem sei der Portugiese bei Netzers Ex-Club Real Madrid überbezahlt. Er habe zwar «plötzlich angefangen, Tore zu schießen. Das steht aber in keinem Verhältnis zu dem, was ihm bezahlt wird. Das ist krank.»

Grundsätzlich sieht er die Entwicklung im Fußball kritisch. Seiner Ansicht nach sind die Spiele oft zu perfekt. «Diese Perfektion, die teilweise geboten wird von den großen Clubs, ist nicht schön und ästhetisch», meinte der einstige Mittelfeld-Regisseur. «Ich bewundere die Trainer, die Spieler, die das ausüben können, denen man das beigebracht hat, aber es ist nicht schön, nur funktionell.»

Die Frage, warum er nie selbst eine Trainerlaufbahn eingeschlagen habe, beantwortete Netzer ungewohnt offen: «Ich kann es einfach nicht. Ich habe in meinem Leben immer gewusst, was ich nicht kann.» Er habe sich nicht zugetraut, «als Trainer gleich derartig erfolgreich zu sein, dass es genauso gut weitergeht wie als Spieler».

Vor dem letzten großen Turnier als Experte für die ARD kommt bei Günter Netzer keine Wehmut auf. «Ich höre sehr, sehr gern auf, das gibt mir ganz viel.» Jemand habe mal über ihn gesagt: «Der Netzer hört auf zu reden, wenn alles gesagt ist.» Das charakterisiere ihn treffend.

Indirekt lobte der Europameister von 1972 sogar sein Pendant vor der Kamera, Gerhard Delling: «Ich habe nie gewusst, der Spieler ist gut und der nicht. Viele Dinge sage ich jetzt auch nur, weil sie jemand durch seine kluge Fragerei rausholt.»

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