Netzer: "Özil muss sich deutlich steigern"

Günter Netzer spricht im AZ-Interview über die Chancen der Deutschen, Problemfälle – und seine Rolle als Kritiker.
Florian Bogner |
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"Muss sich steigern": Im Interview spricht Günther Netzer über Mesut Özil.
dpa "Muss sich steigern": Im Interview spricht Günther Netzer über Mesut Özil.

Deutschlands Fußball-Chefkritiker Günter Netzer spricht im großen AZ-Interview über die Chancen der Deutschen, Problemfälle – und seine Rolle als Kritiker.

AZ: Herr Netzer, Sie sind der Chefkritiker der Nationalelf. Wie stehen die WM-Chancen?

GÜNTER NETZER: Wir Deutschen müssen uns anstrengen. Man tut gut daran, die Vorbereitung nicht so ernst zu nehmen, aber es muss eine große Steigerung her.

Ihre WM-Stimmung – positiv oder negativ?

Nachdem die Euphorie ja fast schon überbordend war, so dass man meinen konnte, man müsse den Titel nur im Vorbeigehen abholen, ist jetzt das Gegenteil der Fall. Beides ist nicht korrekt, die Wahrheit liegt in der Mitte. Joachim Löw muss jetzt das Niveau anheben, den Teamgeist fördern. Das wird er schaffen.

Man spricht immer von der ’Turniermannschaft’. Was bedeutet das eigentlich?

Es ist nicht so, dass man auf den Knopf drückt und die Deutschen fangen an zu rennen. Nein, es entspricht einfach unserem Charakter, in solchen Situationen an unsere Grenzen zu gehen. Darauf verlassen kann man sich allerdings nicht.

Als ehemaliger Spielmacher können Sie Mesut Özil gut beurteilen und sind mit ihm auch schon härter ins Gericht gegangen. Was läuft falsch?

Ich bin schon immer lieber auf die großen, starken Spieler losgegangen, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Und Mesut Özil leistet aktuell nicht das, wofür er schon gelobt wurde. Er muss sich deutlich steigern. Das weiß er auch selbst.

Mario Götze hat seine Rolle im Team nicht gefunden.

Es ist schade, dass er seine Fähigkeiten nicht öfter auf den Platz übertragen kann. Von ihm muss mehr kommen. Er kann auch viel mehr, als das, was er im Moment spielt.

Sorgen bereitet der angeschlagene Bastian Schweinsteiger.

Ich gehe davon aus, dass er selbst am allerwenigsten mit der Situation zufrieden ist. Ich wünsche mir den Schweinsteiger in der Form der WM 2010, da war er sensationell.

Das klingt alles sehr sachlich und ruhig.

Das war meine Kritik immer. Ich polemisiere und beleidige nicht. Ich versuche meine Meinung wiederzugeben.

Sie sind der Elder Statesman der Fußballbeurteilung.

Kein Spieler hat es gerne, wenn er hart kritisiert wird. Glauben Sie, ich habe das als Spieler gerne gehabt? Kritik ist nie angenehm. Aber es gibt Unterschiede in der Schärfe.

Bekommen Sie Feedback von den kritisierten Spielern?

Nein. Ich suche auch nicht die Nähe zu ihnen. Ich freue mich, wenn ich sie sehe und teilweise freuen sie sich auch, mich zu sehen. (lacht)

Es hat sich also noch nie jemand bei Ihnen beschwert?

Nie bei mir direkt, aber schon mal über die Medien. Die Spieler rufen aber auch nicht an, wenn ich sie gelobt und als Helden oder Genies dargestellt habe. (lacht)

Wie finden Sie eigentlich Philipp Lahm im Mittelfeld?

In einem Wort: grandios. Aber er muss sich damit abfinden, dass er als extrem vielseitiger Spieler letztlich immer dort eingesetzt werden wird, wo er am meisten gebraucht wird. Dass ihm das nicht besonders gut gefällt, ist klar, aber er ist in der Lage, das zu verkraften.

Welcher Deutsche hat das Zeug zum WM-Superstar?

Ich finde, frei nach Berti Vogts: Der Star sollte die Mannschaft sein. Mich interessiert nicht, ob da nun einer die Welt erstürmt oder nicht. Wenn wir davon profitieren: wunderbar. Aber ich erwarte letztlich von jedem einzelnen, dass er sich mit seiner absolut besten Fähigkeit in den Dienst der Mannschaft stellt. Superstars interessieren mich nicht.

Wer kann Sie bei der WM überraschen?

Chile imponiert mir, wird das Tempo aber wahrscheinlich nicht über das gesamte Turnier gehen können. Meine Favoriten sind Deutschland, Spanien, Argentinien und Brasilien. Wobei ich bei Letzteren so meine Zweifel habe, ob die Qualität wirklich zum Titel reicht. Und auf dem Team liegt immenser Druck.

Wie meinen Sie das?

In Brasilien gibt es schon Probleme, wenn sie einen Test verlieren. Dann suchen die sich einen anderen Flughafen, damit sie bei der Heimkehr nicht beschimpft oder beworfen werden. Wenn Brasilien scheitert: Gnade den Spielern.

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