Nationalelf und DFB: Oliver Bierhoff in der Rolle des Allmächtigen
Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ist nicht unumstritten, aber noch nie war er beim DFB einflussreicher als jetzt. Sein Vertrag läuft bis 2024, er soll die Weichen für die Zukunft stellen.
München - Oliver Bierhoff hat es kommen sehen. Das macht die Sache natürlich nicht besser, eher schlechter, weil er nicht gegensteuern konnte. Eppan in Südtirol, der 25. Mai, Tag zwei des Trainingslagers vor der WM: Der Teammanager spürt, dass irgendetwas in der Mannschaft, in der Wechselwirkung mit dem Trainerstab und im gesamten Gefüge nicht stimmt.
Bierhoff macht sich Sorgen um die angestrebte Titelverteidigung. 1994 war die Nationalelf als Weltmeister in die USA gereist, das Team von Bundestrainer Berti Vogts scheiterte im Viertelfinale an Bulgarien (Viertelfinale, immerhin!). Doch die Chance auf den erneuten WM-Coup habe man damals, so führt Bierhoff in Eppan aus, "weggeschmissen, weil man zwar die beste Mannschaft des Turniers, aber nicht fokussiert genug war". Seine Botschaft soll eine Warnung sein.
Löw und Bierhoff leisteten Pionierarbeit
Es kam viel krasser und schlimmer. Bundestrainer Joachim Löw ignorierte alle Warnsignale vor und nach dem Turnierstart. Vielleicht erkannte er sie, legte jedoch eine (für Bierhoff provokante?) Wird-schon-gut-gehen-Attitüde an den Tag, weil es ja in seiner Amtszeit seit 2006 fast immer irgendwie gut gegangen ist, zumindest bis ins Halbfinale. Und nun, nach dem blamablen Vorrunden-Aus? Macht Löw jetzt wohl weiter.
Und was wird nun aus Nationalmannschaftsdirektor Bierhoff? Der ehemalige Mittelstürmer betonte, dass er sich von "einem Misserfolg" nicht alles zerreden lassen wolle. Denn: "Es ändert nichts an dem, was die Spieler, Trainer und auch ich geleistet haben." Nach dem ähnlich desaströsen EM-Vorrunden-Aus 2004 und dem damit verbundenen Ende der Ära Rudi Völler hatte der DFB den Mut, Jürgen Klinsmann samt Assistent Löw zum Trainer und Bierhoff zum ersten Nationalelf-Manager der Verbandsgeschichte zu machen. Sie waren Reformer, leisteten Pionierarbeit – bis hin zum größten sportlichen Erfolg, dem WM-Gewinn 2014.
Bierhoff und die Frage nach dem richtigen WM-Quartier
Vor der WM entstanden erste Risse in der Zusammenarbeit von Löw (58) und Bierhoff (50). Man war sich in der Quartierfrage uneinig: Watutinki oder Sotschi? Birkenwald-Idylle oder Schwarzmeer-Pano? Logistik-Vorteile oder Wohlfühlatmosphäre wie beim Confed-Cup-Erfolg 2017? Ein Dauerthema als Störfeuer. Von Nachfrage zu Nachfrage wirkte Bierhoff, der seit Amtsantritt neun Turniere samt Quartierwahl organisiert hat, entnervter.
Spitzfindig merkte er an, die Rolle als "böser Bube" habe er häufiger inne gehabt. Was Bierhoff, der 2002 an der Fern-Universität Hagen einen Abschluss als Diplom-Kaufmann machte, rund um das Nationalteam anpackte, wird ihm heute vorgeworfen. Er hat die DFB-Elf zu einer Marke stilisiert, die Spieler bekamen immer mehr Marketingmaßnahmen aufgebürdet. PR-Slogans ("Die Mannschaft", "#zsmmn", "Best never rest") wurden wichtiger als auch nur eine offene Trainingseinheit für Fans – so geschehen in Südtirol. Wie weit ist die Entfremdung von der Basis, von den Fans, die sich zum Teil nur noch wie Kunden vorkommen, vorangeschritten? Der "Kicker" nennt das Wirken des Nationalelfdirektors die "Bierhoffisierung des Fußballs".
Bierhoff beim DFB: Er baut sich sein Denkmal selbst
Bierhoff weiß um seine Macht im weltgrößten Fußballverband, die umfassender ist als je zuvor. Sein Titel lautet nun offiziell Nationalmannschaftsdirektor mit über 100 Mitarbeitern in der Verbandszentrale, in den Medien wird er "Superminister" genannt. Generalsekretär Friedrich Curtius fungiert als sein direkter Vorgesetzter, doch er steht genauso hinter Bierhoff wie Präsident Grindel.
Des Managers Vertrag wurde bis 2024 verlängert, er bekam zwei Jahre mehr als Löw. In sechs Jahren will der DFB die EM ausrichten, die Entscheidung darüber fällt die Uefa im September. Für Bierhoff soll es der nächste Meilenstein seiner Ära sein, genau wie das Projekt des Aufbaus der neuen Akademie, 150 Millionen Euro teuer. "Die Akademie unter Leitung von Bierhoff ist ein ganz wichtiges Instrument, um besser zu werden", sagte Grindel nach dem WM-Aus. Bierhoff darf sich sein Denkmal selbst bauen. So einen entlässt man nicht.
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