Nach Schweiz-Desaster: Stresstest wider Willen
Eigentlich sollte die EM-Generalprobe gegen Israel ein launiges Toreschießen mit frohen Fans werden. Nach dem Desaster in der Schweiz steht Coach Joachim Löw nun massiv unter Druck – und Bastian Schweinsteiger fehlt.
Man hatte beim DFB extra noch mal nachgezählt: 25 Trainingseinheiten waren es, seit sich die Nicht-Legionäre und Nicht-Finalisten diverser Wettbewerbe am 11. Mai auf Sardinien getroffen hatten. Soll ja keiner sagen, man hätte nichts getan.
Nach dem lockeren Prolog auf der Mittelmeerinsel ging es eine Woche später weiter nach Südfrankreich – zur härtesten Vorbereitungs-Etappe. Ohne die Nicht-Triple-Sieger vom FC Bayern verlor man zwischendrin in der Schweiz recht desaströs mit 2:5, Bundestrainer Joachim Löw sortierte vier von 27 Kickern aus und am Mittwoch hieß es: Adieu, la France! Um 17.30 Uhr flog der DFB-Tross von Nizza nach Leipzig. Auch geographisch eine Annäherung an die EM in Polen/Ukraine.
Es sollte ein nettes Show-Spiel werden, der letzte Test vor dem Turnierstart gegen die Israeli im Leipziger „Red-Bull-Stadion“ (20.30 Uhr/ARD live). Ein fröhliches Toreschießen gegen den 58. der Fifa-Weltrangliste sollte es werden, mit Applaus und einem guten Gefühl wollte man sich von den deutschen Fans verabschieden. Doch nun muss Löw bereits den Ernstfall proben: beim Stresstest wider Willen. Von wegen heiter. Es wird ernst für Löw, die AZ zeigt die Brennpunkte vor dem ersten EM-Spiel am 9. Juni in Lwiw gegen Portugal:
Der Problemfall Schweinsteiger: Statt des Mannschaftstrainings konnte der 27-Jährige wieder nur eine Einheit auf dem Ergometer im Fitnesszelt absolvieren. Kapitän Philipp Lahm sprach im Zusammenhang mit der Wadenverletzung von einer „ernsten“ Blessur. „Ich habe volles Vertrauen, dass es gehen wird und bin für das erste Vorrundenspiel guter Dinge“, sagte DFB-Manager Oliver Bierhoff. Zweifel bleiben. Eine ideale Vorbereitung sieht anders aus, Schweinsteiger geht ohne Testspiel ins Turnier. Seinen Posten übernimmt gegen Israel Toni Kroos, im defensiven Mittelfeld gesetzt ist Khedira.
Das Lahm-Dilemma: Gäbe es Lahm-Zwillinge, Löw hätte keinen, wie im Fall der Benders, nach Hause geschickt. So muss sich der Bundestrainer entscheiden. Schwächt er die linke Seite, wenn er Lahm rechts stellt – oder umgekehrt. „Ich weiß, dass ich auf beiden Seiten Top-Niveau habe. Gegen Israel werde ich links spielen, und wir werden dann sehen, was das für die EM bedeutet.“ Er gehe locker mit dem Thema um. Löw und die Kandidaten Höwedes (rechts), Schmelzer (links) sowie Boateng (eher rechts, aber auch links) sicher nicht.
Die Final-Lähmung: Für die sieben Bayern-Profis (minus Schweinsteiger) soll der Leipzig-Kick die Rückkehr zur Normalität sein. Frische Erlebnisse, um den Kopf frei zu kriegen – vom Karrieretrauma Chelsea. „Wir haben weitere, große Ziele“, so Lahm. „ich denke, dass ich für alle Bayern-Spieler spreche, wenn ich sage, dass wir heiß darauf sind, mit der Nationalmannschaft erfolgreich zu spielen.“
Die Endspiel-Zielsetzung: Es hat Löw missfallen, dass viele Spieler in Interviews vom Finale am 1.Juli in Kiew und dem EM-Pokal sprachen. Selbstbewusstsein? Doch, gerne. Aber Schritt für Schritt. Daher mahnte der Bundestrainer: „Ab jetzt zählt nur Portugal, nur noch der erste Gegner!“ Schon sprang ihm Lahm bei: „Es bringt nichts, an Viertelfinale, Halbfinale oder Finale zu denken.“
Zunächst geht es gegen Israel. Und ums gute Gefühl. Ein Negativ-Erlebnis, gar eine Pleite, darf man sich nicht erlauben.