Nach Scholl-Attacke: 2:0 für Gomez

Nach dem Siegtreffer gegen Portugal sammelt der Nationalstürmer nun auch Punkte außerhalb des Platzes – und kontert die Kritik von Mehmet Scholl.
von  Patrick Strasser

Nach dem Siegtreffer gegen Portugal sammelt der Nationalstürmer nun auch Punkte außerhalb des Platzes – und kontert die Kritik von Mehmet Scholl mit einem coolen und souveränen Auftritt

DANZIG Die Frage ist immer: Wie hält einer das aus? Mehmet Scholl, EM-Experte für die ARD, bezog es am Samstagabend auf die Nationalelf und fragte indirekt: Wie lange halten die Mitspieler Mario Gomez und seinen Spielstil als Stoßstürmer der Nationalelf aus?


Scholl, einst Mittelfeldspieler, nun Trainerschein-Inhaber und ab Juli wieder verantwortlich für die Zweite Mannschaft des FC Bayern in der Vierten Liga, griff nach dem 1:0 gegen Portugal vor einem Millionenpublikum Gomez, den Siegtorschützen, den Matchwinner, in ungewöhnlicher Schärfe an: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss”, sagte Scholl, „es war zwischenzeitlich wirklich extrem, wenn man geschaut hat, dass die Mittelfeldspieler, die Abwehrspieler, sie wollten nach vorne spielen, sie wollten in die Spitze spielen. Aber da war keiner.”


Und wie hielt Gomez das aus? Wie reagierte er? Gomez sagte schon am Sonntag zu, tags darauf zum mittäglichen Pressemeeting zu kommen. Er hätte schweigen können, die Experten analysieren lassen können, ob Scholl Recht habe. Die Frage klären, ob er tatsächlich ein moderner Stürmer sei oder nicht und ob nicht doch Miroslav Klose, gegen Portugal zunächst nur auf der Bank, die bessere Alternative wäre.


Gomez hatte sich auf diesen Auftritt vorbereitet, das spürte man. „Welch’ Überraschung, dass diese Frage kommt”, meinte er und grinste. Dann begann er einen Satz, den er nicht vervollständigte. Das sollte in den Gedanken der Zuhörer passieren, die Message war klar: „Ja, er ist ein Trainer von meinem Verein, mia san mia. Und mia san alles eine große Familie beim FC Bayern. Und natürlich darf jeder sagen, was er will.”


Am Samstag köpfte er die Nationalelf zum wichtigen ersten Gruppensieg, am Montag legte er mit einem lässigen, souveränen Auftritt nach. Chance genutzt. Mit bedachten Worten. 2:0 für Gomez. Es kam keine beleidigte Replik in Richtung Scholl, kein Gegenangriff, nur dezente Hinweise. Wohl überlegt, fein dosiert. Zeitgemäß, komplett im Auftreten – all das, was ihm Scholl und andere Experten als Stürmer absprechen.


Ganz lässig erzählte er eine kleine Episode von einem Wiesn-Besuch. „Mehmet und ich, dass ist so eine Sache”, hob er an, „auf dem Oktoberfest hat er mir mal gesagt, dass er mit Kritik an mir erreichen will, dass ich mein Potenzial abrufe”. Und weiter: „Da kam Mehmet zu mir und hat gesagt, er wüsste schon, was ich über ihn denke. Da hab ich gefragt: ,Was denkst du denn, was ich über dich denke? Und er: ‚Ich weiß schon, dass du mich für ein ... hältst, seit ich Fernsehexperte bin.’” Gomez erklärte, er habe das verneint. Und dann, ohne den Spur eines Grinsen, aber vielleicht doch leicht ironisch: „Ich sehe das nicht als Attacke. Mehmet ist Trainer, man kann von Trainern viel lernen. Ich kann daraus lernen, das Beste daraus ziehen.”


Gomez weiß: Er ist jetzt in einer guten Position. Stammstürmer bei Löw nach diesem Tor, zweitbester Torschütze der Champions League und der Bundesliga. Den von Scholl kolportierten Vorwurf nach seiner „unmodernen” (weil nicht laufintensiven) Spielart konterte Gomez: „Ich habe nach Messi die meisten Tore in der Champions League, in einem sehr modernen Wettbewerb, geschossen, ich weiß nicht, warum ich mich ändern sollte.” Bundestrainer Joachim Löw lobte seine neue Nummer eins im Angriff. Eines wird nicht passieren: dass er Gomez nun gegen die Holländer auf die Bank setzt. Ausgeschlossen. Auf die Frage nach seiner Entscheidungsfindung sagte Löw mit Verweis auf den legendären Wutausbruch von Giovanni Trapattoni: „Ein Trainer ist kein Idiot.”

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