Möller: "Klopp versucht, die Stimmung anzuheizen!"

AZ-Interview mit Andy Möller: Der 48-Jährige spielte unter anderem für Juventus Turin und Borussia Dortmund, gewann die Champions League und wurde Welt- sowie Europameister. Beim Spiel Liverpool gegen Dortmund (SPORT1 überträgt live ab 19 Uhr) ist er am Donnerstag als TV-Experte im Einsatz.
AZ: Herr Möller, Dortmunds Trainer Thomas Tuchel hat am Sonntag beim 2:2 im Revierderby auf Schalke gleich mehrere Stammspieler geschont, darunter Reus, Mkhitaryan und Aubameyang. Warum?
ANDREAS MÖLLER: Die volle Konzentration des BVB gilt der Europa League. Dort hat sich Dortmund hohe Ziele gesteckt. Man hat die historische Chance, den Pokal zu gewinnen. Die größte Hürde dabei ist jetzt der FC Liverpool mit Jürgen Klopp. Da legt man klar den Fokus drauf. Das konnte man auch an Tuchels Aufstellung erkennen. Für mich ist das absolut nachvollziehbar.
Wirklich?
Wenn Tuchel gegen Schalke die beste Elf gebracht hätte und dann heute Abend gegen Liverpool rausfliegt, weil die Jungs müde sind, dann heißt es doch auch wieder, dass er es falsch gemacht hat. Und jeder sagt: Hätte er mal lieber die Spieler geschont. Aus Trainersicht ist es logisch, so zu handeln, wie Tuchel es getan hat.
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Ist es aus Dortmunder Sicht nicht trotzdem bitter, gleichzeitig damit auch die Meisterschaft nun sozusagen abhaken zu müssen? Immerhin spielt der BVB aktuell die beste Saison der Vereinsgeschichte.
Das ist natürlich sehr schade. Die Bayern zeigen schon über Jahre eine konstante Dominanz und offenbaren kaum Schwächen. Deshalb liegt die Konzentration des BVB jetzt eben auch mehr auf dem DFB-Pokal und dem Europa-League-Titel. Die Wettbewerbe werden fokussiert, weil man die Dominanz der Bayern in der Liga erkennt.
Hat sich der BVB trotzdem als Bayern-Rivale zurückgemeldet?
Natürlich. Bayern gegen Dortmund ist wieder das ewige Duell um die Vorherrschaft in Deutschland, das es schon zu meiner Zeit in den 90er-Jahren war. Wir sind damals leicht an den Bayern vorbeigezogen, durch die Meisterschaften und den Champions-League-Sieg. Es tut der Bundesliga gut, dass die Bayern nicht ganz so einsam ihre Kreise ziehen und der BVB versucht, ein bisschen daran zu kratzen.
Pep Guardiola sagte nach dem 1:1 im Viertelfinal-Hinspiel zwischen Dortmund und Liverpool: „Das war Champions-League-Niveau.“ Stimmen Sie ihm zu?
Es haben ja noch mehr namhafte Mannschaften in der Europa League gespielt: Manchester United, Neapel, Tottenham und Porto zum Beispiel. Die Europa League hat an Reiz gewonnen. Liverpool und Dortmund sind zwei Ur-Traditionsvereine, die auch die Berechtigung dazu hätten, in der Champions League dabei zu sein.
Für viele Experten gilt der Sieger dieses Duells als der kommende Europa-League-Champion, auch für Sie?
Wer sich in diesem Duell durchsetzt, ist der absolute Topfavorit auf den Titel und macht einen Riesenschritt auf dem Weg dorthin.
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Momentan scheint der Vorteil leicht bei Klopp und Liverpool zu liegen.
Durch das Hinspielergebnis und die Heimatmosphäre an der Anfield Road haben die Liverpooler vielleicht einen kleinen Vorteil. Der BVB hat aber noch alle Chancen. Und dazu eine Mannschaft, die versucht, auch auswärts Tore zu erzielen und zu agieren anstatt zu reagieren. Das wird ein hochinteressantes Spiel. Der BVB muss aber besser spielen als zu Hause, um ins Halbfinale zu kommen. Das ist eine Partie auf Augenhöhe mit Endspielcharakter.
Wie haben Sie Jürgen Klopps emotionale Rückkehr beim Hinspiel erlebt?
Jürgen Klopp hat durch die sieben Jahre, die Erfolge und seine ganze Art sehr große Verdienste beim BVB. Man hat ihn dort geliebt und er hat zu Recht so einen Empfang bekommen. Das Dortmunder Publikum ist da sehr feinfühlig. Klopp war das Symbol des Dortmunder Aufschwungs. Aber wenn der Schiedsrichter das Spiel anpfeift, denkt kein Spieler an Jürgen Klopp. Da geht es nur um den Sieg.
Passend dazu kündigte Klopp an: „Die Anfield Road wird brennen.“ Das klingt ganz und gar nicht nach Kuschelkurs.
Klopp wird auch in Liverpool an Erfolgen gemessen und will das Optimale rauskitzeln. Er versucht, das englische Publikum auf seine Seite zu bringen und positioniert sich ganz klar als Liverpool-Coach. Die Engländer lieben die Identifikation mit den Fans und dem Verein. Logisch, dass er da auch versucht, die Stimmung ein bisschen anzuheizen. Er ist sehr, sehr motiviert, Dortmund mit dem FC Liverpool zu schlagen.
Zum Abschluss: Wer gewinnt das Duell zwischen Dortmund und Liverpool um Mario Götze vom FC Bayern, sofern es das im Sommer tatsächlich auf dem Transfermarkt geben sollte?
Mario Götze ist Spieler der Bayern und das ist ein toller und sehr ambitionierter Verein, mit dem man Titel gewinnen kann. Er sollte versuchen, sich in München zu behaupten. Im Sommer kommt ja ein neuer Trainer. Einen Wechsel innerhalb der Liga sehe ich eher skeptisch.
Warum? Sie haben in Ihrer Karriere doch ganz gute Erfahrungen mit der Rückkehr zu Ihrem Ex-Verein nach Dortmund gemacht und unter anderem 1997 die Champions League gewonnen.
Ich war ja zwischendurch im Ausland und kam aus Italien zurück. Das kann man nicht mit der Zeit in den 90er-Jahren vergleichen. Eine Rückkehr zum Heimatverein kann funktionieren. Die Erwartungen sind aber immer an die erste Zeit verknüpft. Es ist auf jeden Fall ein sehr intensiver und anspruchsvoller Weg.
Würde Götze also besser zum FC Liverpool und Klopp passen?
Mario Götze ist ein fantastischer Spieler, der in jeder Mannschaft dieser Welt spielen kann. Die Frage ist aber: Welche Ziele hat der Spieler? Was ist sein persönlicher Antrieb? Was will er noch zeigen und als Fußballer erreichen? Er ist Weltmeister geworden, deutscher Meister, Pokalsieger. Wo liegt jetzt seine Motivation? Die wichtigste und größte muss eigentlich sein, bei seinem aktuellen Verein wieder eine wichtige Rolle zu spielen.