Messi kündigt Rücktritt an: Leos letzter Tango

Kroatiens Josko Gvardiol ist einer dieser Verteidiger, gegen die man wirklich nicht spielen mag, für viel Geld nicht. 185 Zentimeter geballte Kampfkraft, dazu die furchterregende schwarze Maske im Gesicht - da kann es einem als kleingewachsener Angreifer schon anders werden. Es sei denn man heißt Lionel Andrés Messi Cuccittini. Dann kümmert einen dieser Hüne nicht weiter, man windet sich halt um ihn herum, passt in die Mitte - und steht wenig später im WM-Finale.
Die Szene aus der 69. Minute des Halbfinales Argentinien - Kroatien war "poetry in motion": Poesie in Bewegung. Nicht mehr und nicht weniger als ein Gottesbeweis. Schwer zu widerlegendes Indiz für die Existenz eines höheren Fußballwesens, das sich seit mehr als 15 Jahren in Person eines nur 1,69 Meter hohen Mannes mit der Nummer zehn auf dem Rücken materialisiert. "Du wirst nicht müde, allen zu zeigen, dass du der Beste der Welt bist", schrieb Ex-Mitspieler Luis Suárez, und Gary Lineker fragte rhetorisch "Gibt es noch eine Debatte?" und meinte die Diskussion, wer der Größte aller Zeiten ist. Selbst Brasiliens Legende Pelé drückte Messi die Daumen, belegt von Tochter Kely via Instagram.
"Ich fühle mich sehr glücklich, die ganze WM schon"
Und Messi? Was sagt der gern so Schweigsame zu seiner überragenden Form, zu fünf Treffern in sechs Spielen, zu seinem Elfmeterknaller zum 1:0, zum irren Assist zum 3:0 durch Julián Álvarez? "Was ich sagen kann, ist, dass ich das sehr genieße. Ich fühle mich sehr gut, stark genug, um jedes Spiel anzugehen. Ich fühle mich sehr glücklich, die ganze WM schon." Wie er da auf seinem Stuhl hockte, das hatte etwas Meditatives: die Unterarme entspannt auf dem Pult vor ihm, die Hände wie zum Gebet gefaltet, der Blick die pure Entspannung. Er lächelte sogar gleich mehrfach, was bei Messi nicht oft vorkommt. Wer den Superstar tief in der Nacht im Lusail-Stadion sitzen sah, hätte denken können: Er hat schon alles erreicht. Dabei fehlt noch dieser eine Schritt. Erst am Sonntag wird sich zeigen, ob Messi sich seinen letzten Traum vom größten Pokal erfüllen kann.

Am Sonntag wird die Fußball-Welt den 35-Jährigen zum letzten Mal auf der WM-Bühne zaubern sehen. "Ich bin sehr glücklich, meine Reisen zu WM-Turnieren mit meinem letzten Spiel in einem Finale zu beenden", sagte der sechsfache Weltfußballer nach dem 3:0, "bis zur nächsten WM sind es viele Jahre, und ich glaube nicht, dass ich es bis dahin schaffe. Und es so zu Ende zu bringen, ist das Beste."
So oder so kann man schon mal die Taschentücher bereit legen, denn Tränen fließen bei so einem WM-Finale in der Regel ja immer. Und dass Messi nach seinem letzten Tango mit Sicherheit heulen wird, darauf kann man getrost einen ordentlichen Betrag wetten. Fragt sich nur, ob es Freudentränen odersolche der Trauer sein werden.
Stellvertretend für viele schrieb Jürgen Klinsmann nun via BBC-Newsletter: "So viele Fans in Katar wollen, dass er es schafft. Ich glaube, Messi würde jeden Titel abgeben, den er bereits gewonnen hat - Champions-League-Siege, Ligamedaillen und alle Trophäen -, um diese Weltmeisterschaft zu gewinnen." Man werde nun sehen, "ob Messi die gleiche Anerkennung von seinem Land bekommen kann wie Diego Maradona", so Klinsmann weiter. Der Sommermärchen-Coach dürfte seinem damaligen Kollegen José Pekerman bis heute dankbar sein, denn der ließ 2006 im Viertelfinale eben diesen Messi 120 Minuten lang auf der Bank sitzen - und verlor.