"Maximal weit weg"

Thomas Broich galt als eines der größten Talente des Fußballs. An den Mechanismen des Geschäfts zerbrach er beinahe – bis er in Australien sein Glück fand. Nun kommt ein Dokufilm über ihn in die Kinos.
von  cl
Weit weg von Deutschland, aber endlich wieder glücklich: Thomas Broich.
Weit weg von Deutschland, aber endlich wieder glücklich: Thomas Broich. © Arno Schmitz

BRISBANE Es gab eine Zeit, da galt Thomas Broich als eines der größten Fußballtalente der Republik. In einem Atemzug nannte man ihn mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. Einige Jahre später war Podolski bester junger Spieler der Weltmeisterschaft im eigenen Land, es war das Sommermärchen. Thomas Broich war nicht dabei.


„Tom meets Zizou – kein Sommermärchen” heißt der Film, der zum Länderspiel zwischen Deutschland aus Australien in die Kinos kommt. Es ist eine Langzeitstudie des Grimme-Preisträgers Aljoscha Pause, im Mittelpunkt: Thomas Broich, der mittlerweile in Down Under kickt.


Neun Jahre begleitete Pause den Münchner, damals U21-Auswahlspieler, von Burghausen nach Mönchengladbach, Köln, Nürnberg und schließlich nach Brisbane. Dort hat Broich sein Glück als Fußballer gefunden. In der Heimat blieb ihm das verwehrt.


Dabei sieht 2004, als Broichs Karriere in der Bundesliga beginnt, alles gut aus. „Mozart mit der Kugel” wird er genannt, weil er gerne klassische Musik hört, Klavier spielt auch mal Dostojewski liest oder in seiner Freizeit einen Töpferkurs belegt. Broich gefällt sich in diesem Klischee des intellektuellen, etwas anderen Fußballers. Als sein Aufstieg stagniert, wird sein Image zum Problem. Broich entfernt sich immer mehr vom Fußball, zerbricht letztlich fast daran.


In dem 120-Minuten-Porträt, für das Filmemacher Pause über 100 Stunden Material auswertete, wird aber nicht nur das Scheitern Broichs erzählt. Er rechnet auch mit seinen Trainern ab. Als „wie ein Sonnengott umherstolzierender Typ” beschreibt er Christoph Daum, unter dem er in Köln trainiert, ein Selbstdarsteller, der „zu dick aufträgt”. Dick Advocaat, einst sein Coach in Mönchengladbach, attestiert er Allüren eines Feldwebels und Humorlosigkeit.


„Im Fußball ist alles so aufgeblasen und die Egos so massiv. Je höher man kommt, des gröber wird es”, sagt Broich. „Ich war einfach nicht gemacht für die Bundesliga. Ich habe damals Sachen gemacht, auf die ich heute nicht stolz sein kann.” 2009 in Nürnberg ist er am Tiefpunkt und glaubt, überhaupt nicht mehr Fußball spielen zu können. Von den Mitspielern ist er zunehmend isoliert. „Dass ich fast mal Nationalspieler war, das ist unvorstellbar. Ich fühle das nicht mehr”, sagt er im Film und spricht von einer „Fußball-Depression”. Broich sieht nur noch einen Ausweg: die Flucht.


„Es war maximal weit weg”, antwortet der mittlerweile 30-Jährige auf die Frage, wieso er aus gerechnet in der australischen A-League unterschrieb. Das Niveau dort: bestenfalls zweite Liga. Hier ist Broich zufrieden. Und wieder erfolgreich: Mit Brisbane Roar blieb der Mittelfeldspieler in der Saison 2010/2011 27 Spiele am Stück unbesiegt, gewann am Ende die australische Meisterschaft und wurde zum zweitbesten Spieler der Saison gewählt. „Hier herrscht weniger Druck, der Fußball ist unaufgeregt und angenehm”, sagt Broich über seine neue Heimat. Er gilt als einer besten Spieler der Liga. Eine Rückkehr in die Bundesliga? Wohl ausgeschlossen.


Was Thomas Broich wohl heute Abend tun wird? Vielleicht sieht er sich zuhause in Brisbane seine ehemaligen Kumpels Schweinsteiger und Podolski an, die einen anderen Weg genommen haben. Mit mehr Erfolg, Ruhm und Geld. Es wird ihm nichts ausmachen. Broich ist wieder glücklich.

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