Matthäus' schonungslose Analyse von Schalkes Europacup-Desaster
München - Auf den Albtraum folgte auf Schalke schnell der Katzenjammer. 1:6 untergegangen im Champions-League-Viertelfinale gegen Real Madrid, förmlich aufgefressen vom unbedingten Torhunger Cristiano Ronaldos – doch die Schalker Bosse hatten nach der höchsten Heimniederlage eines deutschen Klubs im Europapokal nichts besseres zu tun, als über die Kräfteverhältnisse im europäischen Fußball zu lamentieren. „Die haben 500 Millionen Euro Verbindlichkeiten und kaufen munter für 100 Millionen ein. Ich weiß nicht, wie die das machen“, klagte Sportvorstand Horst Heldt.
Trainer Jens Keller analysierte das „Scheißspiel“ gegen Real so: „Wir haben zwölf Minuten gut mitgehalten – bis zum 0:1. Dann haben wir Fehler über Fehler gemacht.“ Vorwürfe machen wollte er seiner Mannschaft aber nicht. Denn: „Wir hatten eine wahnsinnig junge Mannschaft auf dem Platz, mit zwei A-Jugendlichen.“
Die 1:6-Schalker: Nur im Lamentieren und Ausreden suchen sind sie weltklasse!
Das stört auch Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. „Schalke hätte die Qualität. Vielleicht nicht unbedingt, um weiterzukommen gegen Real Madrid. Aber sie müssten in der Lage sein, mitzuhalten. 1:6, das geht nicht! Das ist ein peinliches Ergebnis, das sollte einer deutschen Mannschaft nicht passieren“, sagt Matthäus der AZ. „Was mich besonders stört, sind die Aussagen, die jetzt gemacht werden. Von wegen, man hätte mit vielen 18-Jährigen gespielt. Schalke hat Boateng, Draxler und Huntelaar, die sind zusammen 120 Millionen Euro wert!“
Sorgen macht Matthäus auch etwas anderes: Vor Schalke war letzte Woche auch Leverkusen untergegangen in der Champions League, verlor 0:4 gegen Paris St-Germain. Es sieht so aus, dass auf diesem Niveau nur Bayern und Dortmund konkurrenzfähig sind“, sagt er, „dabei hatte ich gedacht, die Bundesliga sei schon weiter. Schade!“ Was Matthäus meint: Nach dem deutschen Finale letzten Mai in Wembley, schien die Bundesliga die englische und spanische Liga überflügelt zu haben, heuer haben alle vier Teilnehmer die Gruppenphase der Champions League überstanden. „Das ist wunderbar“, sagt Matthäus. Aber: „Ich habe das Gefühl, man ist schon zufrieden, wenn man die Gruppenphase übersteht. Aber damit darf man sich doch nicht zufrieden geben!“ Den FC Bayern zeichne neben dem breiten Kader vor allem aus, dass sich Spieler und Verantwortliche „keine Nachlässigkeiten erlauben“, sagt er.
Zwar sei es „langsam schon ein wenig langweilig, immer von der Dominanz der Bayern zu reden, aber das unterscheidet sie von den anderen Klubs. Und darum werden sie auch über Jahre hinweg den Fußball dominieren“, so Matthäus. Und solange die anderen deutschen Klubs nicht auch ähnlich dominant und mit einem ähnlichen Siegeswillen wie die Bayern auftreten würden in der Champions League, werde die Bundesliga auch nicht die stärkste der Welt sein können. „Die Bundesliga ist sexy, weil sie – bis auf die Frage, wer Meister wird – unheimlich spannend und unberechenbar ist. Aber: Wenn ich mir die Ergebnisse in der Champions League anschaue, dann müssen wir wohl noch ein paar Jahre warten, bis die Bundesliga die spanische Liga überholt“, meint Matthäus.