Matthäus: "Ich bin ein guter Botschafter Deutschlands"

Deutschlands Rekordnationalspieler trainiert ab Juni Israels Erstligisten Netanya. Im AZ-Interview spricht Lothar Matthäus über den Job im Nahen Osten - und den Spott von Bayern-Manager Uli Hoeneß.
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Lothar Matthäus wird Coach in Israel
dpa Lothar Matthäus wird Coach in Israel

Deutschlands Rekordnationalspieler trainiert ab Juni Israels Erstligisten Netanya. Im AZ-Interview spricht Lothar Matthäus über den Job im Nahen Osten - und den Spott von Bayern-Manager Uli Hoeneß.

AZ: Herr Matthäus, Maccabi Netanya, Ihr Arbeitgeber ab Juni, ist bislang nur Insidern bekannt.Was bewegt Sie, Trainer in Israel zu werden?

MATTHÄUS: Israel ist in Sachen Fußball auf einem guten Weg. Natürlich ist Israel nicht mit Italien oder Deutschland zu vergleichen. Aber das war Serbien auch nicht, dennoch haben wir mit Partizan Belgrad in der Champions League gespielt. Israel ist eine Herausforderung. Dort gehe ich hin, um sportlichen Erfolg zu haben. Netanya ist ein gut geführter Traditionsklub. Ich werde dort versuchen, Träume zu verwirklichen – um die Meisterschaft spielen, vielleicht danach auch im Europapokal.

Wie kam der Kontakt überhaupt zustande? Es heißt, Sie seien mit Maccabi-Klubchef Daniel Jammer, der aus Frankfurt stammt, befreundet.

Seit Daniel den Klub übernommen hat (Mai 2006, d. Red.), kenne ich ihn. Außerdem habe ich jüdische Freunde, auch Liliana (Matthäus’ Freundin, d. Red.) ist jüdischer Abstammung. Tatsächlich bin ich Israel seit fünf Jahren privat sehr verbunden. Ich bin häufiger in Tel Aviv gewesen, habe das ganze Land kennengelernt. Ich weiß, was ich tue. Jetzt bitte ich einfach darum, meine Entscheidung zu respektieren.

Sie spielen auf Bayern-Manager Uli Hoeneß an, der gelästert hatte: „Hoffentlich hat die Frau Merkel demnächst nicht so viel Arbeit, die diplomatischen Beziehungen zu verbessern.“

Ich bin zwar nicht so ein großer Botschafter im Ausland wie der FC Bayern, aber ich habe schon sehr viel im Ausland gemacht. Auch ich bin ein guter Botschafter Deutschlands. Gerade in Israel kann man sehr viel bewegen. Ich weiß, welche Verantwortung ich habe. Aber ich verstehe nicht, warum von Uli Hoeneß nun so eine Stichelei kommt. Zuletzt hatten wir ein gutes Verhältnis. Vielleicht ist er nervös, weil beim FC Bayern derzeit alles sehr erfolgreich läuft und er weiß, dass somit im Hinblick auf die neue Saison der Druck wächst. Vielleicht will er davon ablenken.

Sie sind verärgert?

ich habe wirklich nichts gegen Uli. Wenn Uli Hoeneß, der viel mehr Erfahrung hat als ich, mir einen Tipp geben will, bin ich dazu gerne bereit. Er braucht mich nur anzurufen. Ich frage mich nur: Wieso erlaubt er sich ein öffentliches Urteil? Ich erlaube mir auch kein Urteil über Jürgen Klinsmann. Dazu habe ich beispielsweise nur gesagt: Das wird eine interessante Sache.

Dennoch hat Hoeneß auch recht: Durch die Geschichte ist das Verhältnis Deutschlands zu Israel belastet. Jede Bemerkung wird registriert.

Die Geschichte ist natürlich in den Köpfen drin, aber es wird nicht darüber gesprochen. Zumindest wäre mir das bislang – und ich habe dort bereits viele Interviews gegeben – noch nicht aufgefallen. Ich kenne mich in Israel aus, ich kenne gewisse Regeln, die es in Deutschland nicht gibt – und ich kenne die Leute. Ich habe bislang nur gute Erfahrungen gemacht. Es ist ein Land, das eine positive Atmosphäre hat. Viele Deutsche haben ein falsches Bild von Israel. Vielleicht kann ich mit meiner Wenigkeit etwas zur weiteren Verbesserung des Verhältnisses beitragen und kann klar machen, wie schön dieses Land ist.

Gefährlich ist es aber auch. Es gibt häufig Anschläge. Haben Sie keine Angst, dort zu leben?

Warum sollte ich dort nicht hinziehen? Ich glaube, man lebt in Israel qualitativ besser als in vielen Großstädten Westeuropas. Ich bin nicht umsonst letztes Jahr mit meinem Sohn in Israel im Urlaub gewesen. Und wo gibt es denn Anschläge? Die Unruhen sind im Gaza-Streifen. Glauben Sie mir: Die meisten Leute dort wollen ihr Leben genießen – und das tun sie auch.

Aber verbauen Sie sich mit dem Israel-Job nicht die Karriere in Deutschland?

In den letzten fünf Jahren haben viele Bundesliga-Vereine einen neuen Trainer gesucht, doch vielleicht ist das Vertrauen in meine Person in Deutschland nicht so vorhanden. Ich weiß, was ich im Ausland geleistet habe, ich hinterfrage mich immer selber. Überall, wo ich gearbeitet habe, kann ich mich erhobenen Hauptes wieder sehen lassen: Ich habe mit Partizan, mit einer Mannschaft mit fünf Millionen Euro Etat, die Champions League erreicht. Ich habe mit Ungarn, einer B-Mannschaft, in Deutschland gewonnen. Da muss ja irgendetwas dahinter sein. Ich muss mich somit für nichts qualifizieren.

Aber warum klappt es nicht mit einem Bundesliga-Job?

Es gibt da wohl mehrere Gründe, aber der Name Lothar Matthäus wird eben mit dem FC Bayern gleichgesetzt. Das hat man in Nürnberg und Frankfurt gemerkt, da gab es immer eine kleine Gruppe von Fans, die ein Engagement verhindert haben. Die Vergangenheit beim FC Bayern – einerseits wurde und wird man von Uli Hoeneß attackiert, andererseits spielt sie eine Rolle bei anderen Vereinen. Man wird anders wahrgenommen als andere Trainer.

Wie wird denn im Ausland wahrgenommen, dass Deutschlands Rekordnationalspieler in der Heimat so wenig Wertschätzung erfährt?

Man wird oft danach gefragt. Vielleicht war’s der fehlende Trainerschein, aber da wurden auch bei anderen Trainern Lösungen gefunden – nun ja auch bei mir (Matthäus erwirbt derzeit an der Sporthochschule Köln die A-Lizenz, d. Red.). Ich bin der Bundesliga nicht abgeneigt, aber irgendetwas stimmt da nicht. Mag sein, dass ich in der Vergangenheit Fehler gemacht habe, vielleicht aber urteilen auch Leute über mich, die mich nicht persönlich kennen. Und ich habe einen Stempel „FC Bayern“ auf der Stirn.

Und das ist ein Problem?

Damit muss ich leben, dass dies durch die Rivalität Bundesliga gegen FC Bayern, egal bei welchem Verein, schwierig ist. Ich stehe eben nach wie vor für den FC Bayern, Jürgen Klinsmann steht nie so für den FC Bayern wie ich. Ich habe dort zwölf Jahre gespielt. Dieser Stempel schadet mir. Deshalb finde ich es nicht gut, dass Uli (Hoeneß, d. Red.) nun so einen Spruch loslässt, auch wenn’s vielleicht im Spaß war.

Interview: Jochen Schlosser

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