Marschieren wir! Frankreich umarmt seine neue Generation
Rio de Janeiro – Als sie die bösen Geister von 2010 endgültig vertrieben hatten, genossen Frankreichs neue Fußball-Helden die neu entflammten Liebe ihrer Fans. Karim Benzema und Co. blickten mit sichtbarem Stolz hinauf auf die Tribüne des Maracana, wo knapp 10.000 Franzosen die Marseillaise schmetterten. "Marchons", rief der Anhang seinen Idolen zu, marschieren wir! Jetzt, sollte das heißen, hält uns keiner mehr auf. Schon gar nicht Nigeria im Achtelfinale.
"Wir empfinden eine große Befriedigung über das, was wir bisher erreicht haben", sagte Trainer Didier Deschamps – und platzte fast vor Stolz. Dass sich seine bessere B-Elf beim 0:0 gegen ein enttäuschendes Ecuador zum Gruppensieg geschleppt hatte, war ihm völlig egal. "Es braucht mehr, um meine Zufriedenheit zu trüben. Nein, ich genieße es", meinte er: "Ich bin nicht dazu da, die Euphorie der Leute zu bremsen – im Gegenteil! Wir wollen sie noch lange feiern lassen." Am liebsten bis zum 13. Juli.
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Zunächst stellt sich den Blauen am Montag in Brasilia Afrikameister Nigeria in den Weg. "Das ist ein sehr starkes Team, stabil, sehr gut in der Defensive, schnell. Wir werden richtig kämpfen müssen", sagte Deschamps. Aber, dieser Glaube schwang in seinen Worten hörbar mit, diese neue, frische Generation ist dazu bereit. Das sehen die Fans genauso. In einer Internetumfrage der L'Equipe zweifelten nur acht Prozent am Weiterkommen.
Deschamps' Begeisterung hatte wenig mit dem mäßigen Spiel zu tun, dem schlechtesten der Franzosen in Brasilien. Vielmehr war er glücklich darüber, dass nun endlich keiner mehr von der skandalösen WM 2010 spricht, als Les Bleus in der Vorrunde scheiterten. Seine neuformierte Mannschaft, gegen Ecuador die jüngste französische bei einer WM seit 1978, hat die Herzen der in Südafrika vergraulten Fans im Sturm erobert. Und eine tolle Perspektive.
"Seit dem ersten Tag herrscht ein guter Geist in der Truppe", sagte Deschamps, und beschrieb damit den größten Unterschied zum Fiasko von vor vier Jahren. "Es ist ein Vergnügen für mich, das zu sehen. Alle haben den Willen, gemeinsam zu kämpfen, zusammen so weit wie möglich zu kommen."
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Dieser Wille und die Tore des dieses eine Mal unglücklichen Karim Benzema sollen Frankreich zunächst ins Viertelfinale bringen. "Wir werden wieder zulegen und Nigeria auf keinen Fall unterschätzen", sagte Benzema. Und danach? Deschamps wurde sogar bereits nach den Titel-Chancen gefragt. "Daran denken wir jetzt nicht, ich habe nur Nigeria im Kopf", sagte er. Überhaupt: 1998, beim bislang einzigen Triumph, "waren wir besser", fügte der damalige Mittelfeld-Chef schmunzelnd an.
Dass die Equipe Tricolore 2014 aber zumindest "wettbewerbsfähig" ist, musste auch Deschamps zugeben. Jedoch: Seinen Jungspunden fehlten gegen Ecuador ein Schuss Kaltschnäuzigkeit sowie die Effektivität im Abschluss. Bei einigen, bekannte Deschamps, "wiegt das Trikot schwer auf den Schultern". Die rotwürdigen, nicht geahndeten Ellbogenattacken von Mamadou Sakho und Olivier Giroud sind so jedoch nicht zu erklären.
Dass seine Wechsel Frankreich aus dem Rhythmus gebracht haben könnten, glaubt Deschamps indes nicht. Er sah es als gruppendynamische Maßnahme. "Ich vertraue jedem meiner Spieler, das wollte ich ihnen zeigen", sagte er. Wer weiß, wozu er all die jungen Wilden noch braucht.
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