Mario Gomez im AZ-Interview: "Wenn Haaland gesund bleibt, wird er der Beste"
AZ-Interview mit Mario Gomez: Der 36-jährige Ex-Bayern-Stürmer ist als Champions-League-Experte für Amazon Prime Video tätig.
AZ: Herr Gomez, welcher Stürmer beeindruckt Sie derzeit am meisten auf der Welt?
MARIO GOMEZ: Wenn wir von den klassischen Mittelstürmern sprechen, also nicht von Messi und Ronaldo, sind es vier: Die Nummer eins ist ganz klar Robert Lewandowski. Was der seit Jahren leistet, ist unfassbar. Dann kommt Romelu Lukaku, der ist wirklich ein Biest. Er hat eine eingebaute Torgarantie und ist eben nicht nur ein Torjäger. Lukaku kann die Bälle vorne festmachen, er ist nicht nur der Kraftprotz, sondern auch technisch gut, hat eine gute Übersicht. Viele Tore erzielt er ganz überlegt mit der Innenseite. Er ist schnell, daher auch zum Kontern perfekt für Chelsea. Irgendwann nach Lewandowskis Zeit wird Lukaku der beste Stürmer der Welt sein. Nummer drei ist Karim Benzema, einer meiner Lieblingsstürmer. Er hat über Jahre auf Spitzenniveau seine Tore erzielt. Und auf Platz vier kommt einer, der in ein paar Jahren wohl alle in den Schatten stellen wird: Erling Haaland.

Gomez findet Haalands Timing "unglaublich"
Was macht Haaland so einzigartig?
Er hat so eine Wucht, ein wahnsinniges Näschen und, was nur wenige Spieler in diesem Alter haben: ein Gespür dafür, wann er den Ball abspielen muss, wann er dribbeln und schießen muss. Sein Timing ist unglaublich. Natürlich muss man sehen, wie er in einer Mannschaft zurechtkommt, die in der Champions League nicht so auf Konter spielt wie sein Ex-Klub Salzburg oder jetzt Borussia Dortmund. Wenn Haaland gesund bleibt, wird er der Beste.
Und der Lewandowski-Nachfolger bei Bayern?
Was man so hört und liest in Sachen Gehalt - da kann ich mir nicht vorstellen, dass Bayern da mitgeht. Wenn man mit Kimmich und Goretzka, den Säulen der Zukunft, verlängert, kann man kaum einen externen Spieler dazu holen, der dann viel mehr verdient. Wobei der Joshua das angesichts Haalands Wert vielleicht sogar akzeptieren würde. Aber wenn Lewandowski so fit bleibt, braucht Bayern Haaland ohnehin nicht.

Wie viele Jahre trauen Sie Lewandowski noch zu?
Drei, vier Jahre auf jeden Fall.
Diese Mittelstürmer könnten für die Nationalmannschaft interessant werden
In der Nationalmannschaft hat zuletzt Timo Werner aufsteigende Form gezeigt und regelmäßig getroffen. Ist er Deutschlands Mittelstürmer für die WM 2022 in Katar?
Wenn man keinen robusten Mittelstürmer wie Lewandowski oder Lukaku hat, muss man sich andere Lösungen überlegen. Und das macht Hansi Flick. Er sagt: Wir brauchen mit Werner einen Spieler in der Box - und das ist auch richtig so. Drumherum gibt es viele tolle Spieler wie Leroy Sané, Serge Gnabry, Thomas Müller, Jamal Musiala, Marco Reus. Diese Spieler brauchen aber auch jemanden, der ihr Kunstwerk vollendet. Bei Franck Ribéry und Arjen Robben war es genauso: Beide haben das Publikum mit ihren Dribblings begeistert - doch ohne den anschließenden Torerfolg hätte sich keiner an die Dribblings erinnert. Du brauchst einen Killer vorne drin, auch in der Nationalmannschaft. Und ich hoffe, dass Timo Werner dieser Spieler sein wird. Dafür muss er sich auf diese Rolle einlassen. Man hört ja immer wieder, dass er sich auf den Seiten ein bisschen wohler fühlt. Aber wenn es einer schafft, Spieler mental starkzumachen, ist es Hansi Flick. Vielleicht war es auch schon der Hansi-Effekt, dass Werner nach einigen vergebenen Chancen gegen Island doch noch sein Tor gemacht hat. Er spürt das Vertrauen des Trainers.

Gibt es sonst noch vielversprechende deutsche Talente auf der Mittelstürmer-Position?
Wolfsburg hat mit Lukas Nmecha einen interessanten Stürmer, der mehr über die Außen kommt, aber auch zentral spielen kann. Der wird über kurz oder lange beim DFB landen. Klar ist: Wir brauchen diesen Killer - wie auch immer der aussieht, ob er 1,20 Meter oder 1,90 Meter groß ist. Einen, der die feinen Pässe verwertet. Das war sicher auch Hansis Hintergedanke, warum er Timo Werner als Mittelstürmer aufgestellt hat.